Die neue Oper Wien zu Gast im Theater Akzent
Komposition Fabian Panisello, Libretto: Juan Lucas, Musikalische Leitung Walter Kobera, Inszenierung: Carmen C. Kruse. Bühne, Kostüm, Video: Susanne Brendel. Übertitelung: Mercedes Frühberger
Libretto von Juan Lucas nach dem Schauspiel: Die Geschichte der Ausländerin Okichi von Yamamoto Yuzo (1929) in der nachgelassenen Bearbeitung von Bert Brecht und Hella Wuolijoki. Uraufführung August 2023 der Bregenzer Festspiele.
Ungewöhnliche Atmosphäre im Theater Akzent: Das erste Drittel der Sessel wurde entfernt, um dem Orchester der „Neuen Oper Wien“ unter dem exzellenten Dirigat von Walter Kobera Platz zu machen. Auf der Bühne: Bunt gekleidete Figuren, die wirken, als kämen sie von der Straße, einer Party oder einem Nachtclub. Boden und Rückwand der Bühne sind von perlmuttfarbenen Glasfliesen bedeckt. In der Rückwand werden die Figuren gespiegelt.
Die zeitgenössische Musik ist gewöhnungsbedürftig, aber man „hört sich ein“. Die Anforderungen an die Sänger sind gewaltig. besonders an die Hauptfigur Okichi. Die amerikanische Sopranistin Anna Davidson bewältigt die hohen Töne und die stets wechselnde Stimmführung problemlos. Ebenso alle anderen Sänger.
Der Stoff ist wie gemacht für Brecht. Die Frage nach dem Heldentum hat er in diversen Lehrstücken und Dramen ja immer wieder gestellt und in seiner Fragwürdigkeit von allen Seiten beleuchtet – etwa in dem Drama „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“. Weiters bot ihm der Stoff ein weites Feld für moralische Denkanstöße. Klingt alles sehr theoretisch, ist es aber nicht. Denn durch die herausfordernde Musik und die Kunst der Darsteller wird aus dem „Lehrstück“ eine spannende Sache.
Worum geht es?
1853 landeten amerikanische Schiffe in der heutigen Bucht von Tokyo. Ihr Kommandant Townsend Harris verlangte die Öffnung Japans für den Handel, andernfalls werde die Stadt belagert und beschossen. Es geht um Macht, Einfluss und Geld. Als er während der langwierigen Verhandlungen erkrankte, verlangte er von der Stadtverwaltung zwei Konkubinen, die ihn „pflegen“ sollten. Tatsächlich wurden Kichi und Foku zu ihm geschickt. So weit die Fakten. Bald entwickelte sich in Japan ein Mythos um die beiden Mädchen.
Im Musikdrama „Judith von Shimoda“ geht es vor allem um das Schicksal Okichis nach ihrer „Heldentat“(. Sie soll zum Kommandant Henry Heusken (Harald Hieronymus Hein) geschickt werden, weil es um die Rettung der Stadt, vor allem um profitable Wirtschaftsverträge geht. Zunächst weigert sie sich, da sie als Geisha nie das Areal der „Fremden“ – Amerikaner betreten dürfte. Sie würde ihre Ehre verlieren. Alle reden ihr zu – dann willigt sie ein. In einer der wichtigsten Szenen verlangt der kranke Heusken von Okichi einen Krug Kuhmilch, um seine Darmprobleme damit zu heilen. Obwohl es in ihrem Land streng verboten ist, eine Kuh zu melken, tut sie es dennoch. (Foto oben)
Als sie wieder in ihre Stadt zurückkehrt, wird sie für kurze Zeit mit Ehrungen überschüttet, doch bald schon von allen als Hure beschimpft. Sie wird zur Trinkerin und lebt im Alter in großer Armut. Die Almosen vom Magistrat weist sie zurück. Um sich in ihrer Existenz zu bestätigen, malt sie ihr Konterfei auf die Straße und an die Hauswand. Die Bewohner steigen über das Bild, über Okichi, achtlos hinweg. Nach ihrem Tod wird sie von der Bevölkerung zum Mythos erhoben, Lieder berichten über ihre Heldentat.
Ein feinsinnig gesponnenes Drama, von einer wuchtigen Musik und exzellenten Sängern zu einem Meisterwerk gestaltet.
Am 7 uns 9. November noch im Theater Akzent zu sehen.