Lucía Puenzo, Die man nicht sieht. Wagenbach

Dem Wagenbach-Verlag muss großes Lob gespendet werden, weil er sich um junge Literatur, insbesondere um lateinamerikanische Erzählerinnen bemüht. Lucía Puenzo, geboren 1976 in Buenos Aires, gehört zu den erfolgreichsten Schriftstellerinnen Argentiniens. Als Filmemacherin heimste sie beim Filmfestival in Cannes für ihren Debütfilm „XXY“ viele Preise ein. Auch als Romanautorin ist sie äußerst erfolgreich.

Mit dem Roman „Die man nicht sieht“ (sehr gut übersetzt von Anja Lutter) hat sie treffsicher ein brennendes Problem spannend aufgegriffen: Die Straßenkinder von Buenos Aires. Man sieht sie überall: Als Kartonsammler, als Blumenverkäufer, als Autoscheibenwäscher an den Kreuzungen und als Bettler. Puenzo schildert in diesem Roman das Schicksal dreier Kinder, die von einem gewissenlosen Boss für Hauseinbrüche eingesetzt werden. Ismael ist 15 und kennt alle Tricks, Enana ebenfalls 15 und kennt keine Furcht, ihr Bruder Ajo ist gerade einmal 6 und auf Grund seiner Wendigkeit ein wichtiges Mitglied der Gruppe. Sie sind so erfolgreich, dass sie der Boss nach Uruguay verkauft, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen, nur auf sich allein gestellt, nach Anweisungen per Handy in die Villen von Superreichen einbrechen sollen. Dass das nicht lange gut geht, ahnen sie bald…

Puenzo kennt sich in dieser Szene aus, weiß, wie bestechlich die Securitymänner, wie korrupt die Reichen sind und wie hilflos die Kinder ihren Ausbeutern ausgeliefert sind. Ihr Stil ist trocken, nie Mitleid heischend, nie sozialvoyeuristisch. Man liebt diese drei Kinder von Anfang an, folgt ihnen atemlos durch ihre Einbrüche und Abenteuer und kann sie erst loslassen, wenn die letzte Zeile gelesen ist. Puenzo gelingt es, kritische Blicke in die Gesellschaft der Reichen von B.A. und Uruguay zu werfen, ihren überbordenden Luxus mit einem Schuss Humor zu schildern. Köstlich die Szene, als die Kinder in das Schlafzimmer eines Hauses eindringen und die nackte Ehefrau mit nacktem Liebhaber mitsamt wenig erstauntem Ehemann – der allerdings im Anzug – antreffen.  Wenn sich Ajo über das Spielzeug der Kinder mit Lust hermacht und in seinen Rucksack einpackt oder Ismael sich nicht genug über selbst schließende Sportschuhe wundert, wenn dieses fremde Luxusleben den Kindern so fern erscheint, wie der Mond.

Das Buch gehört gelesen!!! Es steht ganz oben auf der Silvia-Matras-Bestsellerlist!!!

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