Martin Mosebach: Krass. Rowohlt.

Wieder ein Fall aus dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“: Das Feuilleton überschlägt sich mit Lobeshymnen. Keiner sagt: Der Roman ist eine Mühsal für den Leser.

Martin Mosebach liebt das Dekor bis zur Krassheit. Im üppigen Sprachbarock quält er die handelnden Personen durch das Geschehen, das recht dürftig ist. Seine Erzählkunst ergießt sich in wuchernde Details. Das muss man aushalten. Manche enthusiastischen Kritiker bezeichnen den Roman als „pageturner“. Ja, insofern richtig, wenn man unter „pageturner“ versteht, dass der Leser manche Seiten im Eilverfahren überblättert oder querliest..

Der Inhalt ist schnell erzählt:

Teil 1 nennt sich „Allegro imbarazzante“ – ich würde das sinngemäß so interpretieren: Der heitere Teil, der den Leser in ziemliche Verlegenheit versetzt. Denn er weiß nicht, wie er mit diesen schamlos-üppigen und selbstherrlichen Herrn Krass umgehen soll. Der hält ein paar Möchtegernvips als Art dümmliche Höflinge. In Neapel und Umgebung werden sie mit allem Luxus gefüttert, Essen, auch Kunst und Natur. Und müssen sich genau an seine Anweisungen halten. Diese erteilt er nicht selbst, sondern der unbedarfte und ziemlich überforderte Dr. Jüngel. Die Namen sind durchaus als Charakterbezeichnungen zu verstehen. Dann plötzlicher Abbruch, weil die reizende Lidewine Schoonemaker sich mit einem Kellner eingelassen hat, obwohl ihr Krass jeglichen Sex verboten hat. Lassen wir diesen Teil als Kritik an der verschwenderischen, kriecherischen und manipulierbaren Wohlstandsgesellschaft gelten.

Teil 2 „Andante pensieroso“ Es wäre nicht Mosebach, wenn nicht auch dieser Teil ziemlich skurril ausfällt. : Ende der lustvollen Reise. Jüngel verzieht sich in die französische Einsamkeit, um sein angeschlagenes Ich aufzupolieren. Dort lernt er die Freuden des naturnahen und asketischen Lebens kennen. Der Teil ist wohl als ironischer Gegenentwurf zum Lebensstil des Herrn Krass zu verstehen. Da wird Schnaps bis zum Umfallen getrunken, Milch direkt aus dem Euter der Kuh geschlürft und in faschistoider Vergangenheit geschwelgt. Alles schön langsam und „gedankenvoll“ , wie es das Leitmotiv verheißt.

Teil 3 Marcia funebre – Trauermarsch. Alle Wege führen nach Kairo, wo sich alle Hauptfiguren wieder treffen. Krass ist total verarmt, schlurft als Obdachloser durch die Gassen, wird vom Rechtsanwalt Mohammed aufgenommen. Lidewine ist Galeristin und verliebt sich in Mohammed. Jüngel ist was er immer war: ein hilfloser Zuschauer. Am Ende stirbt Krass in einer furiosen Trauerwortkaskade.

Kein Zweifel, Martin Mosebach kann schreiben. Aber nicht erzählen. Da zerbricht allzu viel im Pathos, gewolltem oder ungewolltem Kitsch. Schade, denn die Satire auf unsere Überflussgesellschaft hätte gelingen können, bringt sich aber selbst im Wort- und Metaphernüberfluss um.

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