Raffaella Romagnolo: Bella Ciao. Diogenes Verlag

Aus dem Italienischen von Maja Pflug

Wieder einer der vielen Romane , die Familiengeschichten mit historischem Hintergrund -meist Kriegen – verbinden. Romane dieser Strickart überschwemmen seit einiger Zeit den Markt: Familiengeschichten – oft von Urgroßeltern an bis in die Gegenwart reichend-, eng verknüpft mit der Aufarbeitung historischer Ereignisse, die äußerst akribisch recherchiert wurden. Mit großer Detailliebe, um nicht zu sagen Detailverliebtheit, werden Grausamkeiten und politische Intrigen geschildert, und die eigentliche Geschichte der Familie bleibt dabei oft auf der Strecke oder verstrickt sich und mäandert durch den Roman, ohne Fuß zu fassen. Im jüngst veröffentlichten Roman „Alle, außer mir“ verknüpft etwa Francesca Melandri die Geschichte des italienischen Kolonialismus in Äthiopien mit der jüngsten Vergangenheit rund um Berlusconi mit einer ziemlich verwirrenden Familiengeschichte. Weitaus besser, um nicht zu sagen genial, gelang es ihr hingegen in ihrem Roman „Eva schläft“, die Geschichte Südtirols am Beispiel einer Mutter-Tochter -Vater Beziehung aufzurollen. Gelungen ist ihr das deshalb so gut , weil sie sich in der Anzahl der handelnden Personen auf einige wenige beschränkte und der Leser problemlos beide Stränge – Historie und Familie -gut verknüpfen kann.

Romane, die die lange Ahnentafel zum besseren Verständnis des Lesers im Vor- oder Nachwort anführen, lassen auf ein mühsames Hin- und Herblättern schließen. Wenn es dem Autor nicht gelingt, einzelne Charaktere klar herauszuarbeiten und der Leser immer wieder nachschlagen muss, von wem gerade die Rede ist, dann wird die Lektüre mühevoll.

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Wer ist wer? Und wer lebt noch?

Romagnolo erzählt in ihrem Roman „Bella Ciao“ über die schwierigen politischen Zeiten Italiens in den beiden Weltkriegen. In dem kleinen Dorf Borgo di Dentro, irgendwo in den Bergen im Piemont, erleben die Familien alle politischen Stürme, die da waren: Die Zeit der „mezzadria“, im Roman als „Halbpächter“ bezeichnet. Die mezzadri mussten den Adeligen die Hälfte der Ernte abliefern und waren der Willkür der Pächter ausgesetzt. Die Ausbeutung der Arbeiter und Arbeiterinnen in der Seidenweberei und ihr vergeblicher Kampf um bessere Löhne, dann der erste Weltkrieg und der Kampf der Italiener gegen die Österreicher, die Zeit des aufkommenden Faschismus, der Untergrundkampf der Sozialisten, Kommunisten und der Partisanen gegen Faschisten und die deutsche Besatzung. Es sterben Väter, Söhne, Frauen werden vergewaltigt, Unwetter verheeren die Ernten, Hungersnot und Leid sind Alltag.

Auch für diesen Roman gilt: Weniger wäre mehr! Die Zahl der Personen verwirrt. Nur einige wenige bekommen genug Zeit und Seiten zugestanden, um das Interesse des Lesers für diese Figur wach zu halten. Zu schnell dreht sich das Rad der Erzählung von einer Zeit in die andere, vor und zurück und gleich wieder vor. Die Schilderungen der Gräueltaten nehmen viel zu viele Seiten ein. Man beginnt zu überblättern. Und das ist das schlimmste Urteil, das man über ein Buch fällen kann. Schade, denn das Thema wäre interessant.

http://www.diogenes.ch

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