Wiener Staatsoper, Ballett: „tabula rasa“ und „goldbergvariationen“

Unterschiedlicher könnten die beiden Stücke kaum sein. „tabula rasa“ – körperbetont, Schwerkraft überwindend, rasant und meditativ. „goldbergvariationen“ -klassisches Ballett, extrem langsam.

tabula rasa: Musik Arvo Pärt, Christoph Koncz dirigiert das Orchester der Wiener Staatsoper. Choreographie, Bühne und Licht: Ohad Naharin

Ein Ensemble, dem Höchstleistungen abverlangt werden: Sprünge vom Boden, aus dem Stand hoch in die Luft,- gleichsam vom Nullpunkt auf hundert. So will auch der Titel „tabula rasa“ verstanden werden. Naharin setzt auf neue, im „Ballett“ ungewöhnliche Bewegungsabläufe, gleichsam ein „Antiballett“: alles sehr rasant, atemberaubend und gleich darauf eine ins Herz gehende Meditation – gespielt von zwei Violinen: Yamen Saadi und Raimund Lissy. Mutige Choreographie: Naharin lässt den meditativen Endteil konsequent als Glockenbewegungen tanzen: Das Ensemble, aufgefädelt in einer geraden Linie, pendelt gefühlte zehn Minuten ruhig und gleichmäßig hin und her, nur manchmal tanzen einer oder zwei aus der Reihe. Und keine Minute kommt im Publikum Langeweile auf!

„goldbergvariationen“

Musik: Johann Sebastian Bach., am KLavier William Youn. Choreographie und Kostüme: Heinz Spoerli.

Der Beginn ist ästhetisch spannend: Das Ensemble steht wie schwarze Schatten, ähnlich Schaufensterpuppen, lange Zeit unbeweglich. Langsam hebt eine Figur einen Arm, ein anderer bewegt den Fuß. Alles wirkt maniriert, gewollt künstlich. Daraus entwickelt sich genau in die Musik passend das ganze Repertoire des klassischen Balletts. Nach einiger Zeit gewinnt man den Eindruck, alles schon einmal gesehen zu haben und die Wiederholung der Wiederholung ermüdet. Spoerli verlangt dem Ensemble viel ab, denn die überzogene Langsamkeit der Bewegungen verlangt äußerste Präzision. Gefordert sind besonders die Damen, die fast durchgehend auf der Spitze tanzen. Schön – aber Dauerschönheit kann auch langweilig werden. Ein allzu sichtbares Streben nachPerfektion und eine überangstrengte Ästhetik erzeugen emotionale Kälte. trotz Bachscher Goldbergvariationen.

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Alle Fotos: Ashley Taylor