Stefan Zweig, Schachnovelle. Burg

Regie und Textbearbeitung: Nils Strunk, Lukas Schrenk. Musik: Nils Strunk, Songtexte: Lukas Schrenk, Bühne: Maximilian Lindner

Titelfoto: Nils Strunk als Erzähler und die Band ©Tommy Hetzel

Wir, das Publikum, sind Passagiere auf dem Schiff, das 1939 von New York ablegt. Festbeleuchtung auf dem ganzen Schiff (Publikumsraum), grün schimmernder Nebel hüllen die ankommenden Passagiere – uns – ein. Unterhaltungsmusik à la 30erJahre. Die Bar ist eröffnet, das P.T. Publikum unterhält sich – bis der Entertainer – Ich-Erzähler – auftritt und eine ganz seltsame Geschichte erzählt: Die Schachnovelle von Stefan Zweig!

N. Strunk – im Hintergrund Mirko als kleiner Junge, gezeichnet von Herbert Nauderer. Foto: Tommy Hetzel

„Erzählt“ ist das völlig falsche Wort. Denn was da in den nächsten zwei Stunden auf der Bühne abgeht, ist schlichtweg ein Ereignis, wie wir es schon lange nicht mehr auf der Burg erleben durften. Nils Strunk ist alles und jeder: Kulissenschieber, Klavierspieler, Sänger, er ist der Pfarrer, der Mirko so was wie Ausbildung verpassen will. Er ist Mirko Czentovic auf dem Schiff, er ist der angeberische Millionär McConnor, er ist der geheimnisvolle Dr.B., er intoniert auf dem Klavier fulminant, wie Schachspielen klingt – eines dieser vielen Gustostückerln dieses Abends, er ist überall und jedermann, er ist in jeder Sekunde ein anderer. Und man glaubt ihm jede einzelne Figur! Von seiner Band wird er durch die Erzählung musikalisch grandios begleitet. Langeweile in der Burg – das war einmal. Verziehen und vergessen macht dieser „Zauberkünstler der Bühne“ die vielen öden Stunden, die man in diesem Haus in den letzten Jahren erleben musste.

Der berühmte Schachweltmeister Mirko Czentovic ist an Bord! Sein Werdegang ist seltsam genug. Als Vollwaise aufgewachsen, resistent gegen alle Lern- und Erziehungsmethoden, interessiert sich der Bub schon früh nur für das Schachbrett. Sein Aufstieg zum Weltmeister ist rasant und gewinnbringend. Er spielt nur um hohe Summen. Dem sich selbst überschätzenden McConnor verpasst er eine Niederlage nach der anderen. Bis -ja bis der geheimnisvolle Dr. B. eingreift und das Schachwunder in Schranken weist.

Nils Strunk als Dr. B. Foto: Tommy Hetzel

Dem neugierig gewordenen Erzähler erzählt Dr. B. mit schlichten, unpathetischen Worten, wie es gekommen ist, dass er in der grausamen Einzelhaft der Gestapon nicht den Verstand verloren hat: Ein Schachbuch rettete ihn. Er lernte die Partien auswendig, spielte gegen sich sellbst. Im Kampf gegen Czentovic kommen jedoch alle Erinnerungen an die Qualen der Einsamkeit hoch und er muss vorzeitig aufgeben. Die Wunden, die das Naziregime ihm und Millionen anderen zugefügt hat, werden nie verheilen.

Diesen großartigen Schauspieler und seine congeniale Band (Jörg Mikula, Sebastian Simse, Hans Wagner, Bernhard Moshammer, Martin Ptak, Alois Eberl) feierte das Publikum mit begeisterten Ovationen. Zum Dank dafür musizierten Nils Strunk und das Ensemble noch weiter, bis die Bühnenarbeiter ihnen die Sessel unter dem …wegzogen.

www.burgtheater.at