Theater Akzent: Martina Gedeck liest „Angst“ von Stefan Zweig

Wenn zwei Größen ihres Faches zusammenwirken, dann ensteht etwas Großes, Einmaliges: Stefan Zweig schürft mit seiner sensiblen Sprache bis in die Tiefe der menschlichen Seelen. Marrtina Gedeck erweckt diese Literatur zum erlebbaren Leben.

Leider hatte Martina Gedeck bei Dreharbeiten ihre Stimmbänder so angestrengt, dass sie sich eine Kehlkopfentzündung eingehandelt hatte. Nichts destotrotz las sie – tapfer durchhaltend und mit vollem Einsatz. Ihre leicht raue Stimme passte sogar ausgezeichnet zum Thema – das da ist: Eine von Angst gepeinigte Frau, die sich für ihr kurzes Techtelmechtel mit einem Geiger schämt, es vor ihrem Ehemann geheim hält. Die Angst vor Entdeckung treibt sie fast in den Selbstmord.

Man sitzt zwar im Theater, aber man lebt die Angst Irenes ganz tief mit, sieht sie mit nervösen Fingern nach dem Geld für die vermeintliche Erpresserin suchen, erlebt sie, wie sie ihren Mann mit übertriebener Heiterkeit zu täuschen versucht, sieht die Szene vor sich, in der sich ihr Mann über die Schlafende, von Albträumen Geplagte, beugt und besorgt ihren Namen ruft. Spürt die Sorge ihres Mannes, der wartet, dass seine Frau sich ihm öffnet, ihm ihren Ehebruch, von dem er längst schon weiß, gesteht. Er hofft auf ein alles klärendes Gespräch und Versöhnung. Wir erleben Irene durch die Straßen von Wien laufen, ratlos, sich vor ihrem Exgeliebten demütigen, fast ohnmächtig in die Apotheke wanken, wo sie endlich das ersehnte Morphium bekommt, das ihrem Leid durch Selbstmord ein Ende setzten wird. Der Schluss ist verblüffend – Stefan Zweig lässt den Konflikt gut enden: Der Ehemann hat zwar ein teuflisches Spiel mit ihr getrieben, für das er sich entschuldigt. Ohne viel Worte nimmt er ihr das verhängnisvolle Fläschchen aus der Hand, trägt die Halbohnmächtige in ihr Bett. Wie aus einem langen Albtraum erwacht sie am nächsten Morgen und sieht ihren Ring am Finger, den sie schon an die Erpresserin verloren glaubte.

Natürlich ist Stefan Zweig vom Männer- und Frauenbild der damaligen Zeit geprägt: Da ist der übermachtige Ehemann, der zwar gütig ist, aber „gütig wie ein Gott, der gnädig verzeiht“. Dennoch ängstigt sich die Frau vor ihm. Sie ist die typische Dame aus guter Gesellschaft, die „ins Leere lebt“, wie sie erkennt, ohne Aufgabe, ohne Ziel. Selbst die Kinder haben mehr Kontakt zu ihrer Gouvernante als zu ihrer Mutter. Der Haushalt wird von Dienstboten tadellos geführt. Die Wohnung ist groß, prächtig und auch ein bisschen kalt, ungemütlich. Mit ganz feinen Pinselstrichen kritisiert Stefan Zweig in dieser Novelle das staubtrockene, streng geregelte Leben des Großbürgertums. Ein Leben, dem er selbst immer wieder durch lange Reisen entflohen ist. So lange, bis die Ehefrau die Scheidung einreichte.

Spontaner und begeisterter Applaus!

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Landestheater Niederösterreich: Nikolaus Habjan und Julia Kreusch lesen Loriot

Loriot lockt das Publikum scharenweise ins Theater. Nikolaus Habjan ebenso. Besonders als Puppenspieler, Ein wenig enttäuscht waren manche vielleicht, weil er ohne Puppen auftrat. Die Loriotfiguren hätten sich dafür bestens geeignet. Julia Keusch übernahm tapfer diese Rollen. Eine „Lesung“ war angesagt. Es war dann aber doch eine halbszenische Lesung, was auch einige Tücken mit sich brachte. Denn mit dem Manuskript in der Hand war dem halbfreien Spiel Grenzen gesetzt. Umblättern, umräumen für die nächste Szene – das wirkte zwar lässig, aber auch störend, besonders in Szenen wie die „Benimmprüfung“. Publikumswirksamer waren die Szenen, in denen die bedächtige Ruhe sich immer mehr zu einer Explosion auflädt – etwa in der herrlichen Szene: „Hermann, was machst du da“ oder in der legendären Frühstückseiszene. „Morgen bringe ich sie um“ flüstert der Ehemann, leise, damit sie es nicht hört. Habjan immer in leiser, schüchterner, nörgelnder Kopfstimme, Julia Keusch mimt die Forsche. Beide zusammen bilden die berühmten Szenen einer Ehe, frei nach Loriot.-. Das Publikum amüsierte sich königlich, wohl weil es ähnliche Ehestreitigkeiten, die aus dem Nichts entstehen, sehr gut kennt.

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Theater Akzent: Maria Hofstätter liest Max Maetz: Bauernroman. Weilling Land und Leute.

Musik: Linzer Geiger Trio. Dramaturgie: Maria Hofstätter, Idee und Konzept: Peter Gillmayr (Violine)

Max Maetz ist das Pseudonym für Karl Wiesinger (1923-1991). Als Max Maetz mischte er die literarische Szene durch einen Bauernroman auf, in dem er sich kein Blatt vor dem Mund nahm und keine Scheu vor demaskierender Ehrlichkeit hatte. Er beschreibt die bäuerliche Gesellschaft mit beißender Ironie und hintergründigem Humor, alles in Kleinschreibung, ohne Punkt und Beistrich. Ein „gefundenes Fressen“ – um im Jargon von Max Maetz zu bleiben – für die Schauspielerin Maria Hofstätter. Wer sie aus diversen Filmen wie der Paradiestrilogie von Ulrich Seidl kennt, der weiß, wie gut so ein schräger Text bei ihr aufgehoben ist.

Ort der Handlung: Weilling, ein Dorf mit zwei Bauernhöfen, in der Nähe von St. Florian in Oberösterreich. Max erzählt sein Leben von der Geburt bis zum 27. Geburtstag in Ichform. Schon seine Geburt hat’s in sich: Plumpst er doch aus dem Bauch seiner Mutter, die gerade dabei ist, ihren Ehemann, der den Kriegsdienst verweigerte und von glühenden Nazis auf einen Baum aufgehängt wurde, von diesem herunterzuholen. Dabei hilft ihr der Bauer mit dem Beinamen Vulgo K. Der nimmt Mutter und Kind Max auf seinem Hof auf. Nach dem Tod der Mutter und des Bauern erbt Max den Hof. Später noch den Hof Katharinas, die er das Testament zu seinen Gunsten in der Hochzeitsnacht unterschreiben lässt. Er ist nun Großbauer. Was sich alles in dieser Zeit ereignet, erzählt Max in naiv-ironischer Offenheit. Etwa: Auf der Bauerndemo protestieren die Knechte gegen eine Erhöhung des Dieselpreises, damit sich der Großbauer die Heizung seiner Villa leisten kann. In der Hochzeitsnacht gesteht Max Kathi, dass er es als Bub mit der Kuh getrieben hat. Die Kathi tut empört, aber nach kurzer Zeit ist die Ehe in Butter. Natürlich verzichtet Max nicht auf seine Freundin Susi, die ihn im Stall besucht. Er werkt an ihr, während sie clever und scheinheilig die Ehefrau, die draußen im Garten arbeitet, vom Stallfenster aus fragt, wo denn der Max sei. All das liest Maria Hofstätter mit der „aufrechten“ Stimme eines Max, der am Ende alle mit den Worten „A Bauernhof is ka Puff“ zu mehr Moral ermahnt.

Das Linzer Trio (Peter Gillmayr Violine, Kathrin Lenzerweger Violine, Alvin Staple Kontrabass, der auch für die musikalische Bearbeitung verantwortlich ist) unterbricht an passenden Stellen mit passender, den Text ironisch unterlaufender Musik: Als Max mit Bauer Vulgo an einem „black point“ (eine Straßenstelle, an der besonders häufige tödliche Unfälle passieren) einen Supercrash mit Rettung, Feuerwehr etc erleben, spielt man einen Teil aus Bruckners Te Deum. Nach dem fatalen Geständnis des jungverheirateten Max in der Hochzeitsnacht spielt das Trio einen Teil aus Bruckners „Locus iste“, der besonders tragisch-traurig klingt. Zum Leichenschmaus für die verunfallte Katharina hört man Michael Haydns das Kyrie aus dem Deutschen Hochamt „Hier liegt vor deiner Majestät“ . Dank des aufliegenden Handzettels kann man diese treffende Auswahl nachverfolgen und zum Text passend einordnen.

Begeisterter Applaus für Maria Hofstätter und das Linzer Trio.

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Theater Akzent: Jürgen Maurer und Maria Köstlinger: Liebe ist…

Gute Unterhaltung! wünscht man dem, der ins Theater geht. Doch was ist „gute“ Unterhaltung? -Schenkelklopfendes Kabarett? Horrorszenarien auf der Burg? Gähenende Langeweile in der Akademie? Politshow im Volkstheater? – All das wohl nicht. Im wahrsten Sinn des Wunsches lieferten das Duo Maurer – Köstlinger einen Abend mit wirklich „guter Unterhaltung“. Scherze über die Liebe und was sich halt so Liebe nennt, kurzweilig begleitet von dem Geigenduo Suonare (Kathrin Lenzenweger und Peter Gillmmayr). Man lachte, weil man sich selbst auf die Schaufel genommen fühlte, weil der Partner punktgenau gerade in den berühmten Kakao gezogen wurde. Ironie und ihre tiefere Bedeutung, auch Flachwitze – gestaltet von den beiden in feinster Schauspielermanier- amüsierten das Publikum.

Es begann mit Erich Frieds bekanntem Gedicht „Es ist was es ist, sagte die Liebe“ – Liebe ist also nicht fassbar, daher hat jeder seine eigene Erfahrung und Definition. Die beiden Interpreten hatten sichtlich Spaß daran, das Publikum quer durch den Gemüsegarten der Liebesvorstellungen zu jagen. Dass schon Goethe die Männer für Chamäleon in Sachen Liebe hält, ist kein Wunder. Ist ein Mädl weg, haucht schon die nächste ihm einen Kuss auf die Wange. Zeitensprung zu Fritz Grünbaum. Der rät dringend von jeglicher Verlobung als das größte Ärgernis ab. Bald wird die Luft um die Liebe dicker – Frauen werden als lästige ZIcken, Männer als wehliedige Feiglinge durch den Wolf gedreht. Die Skala der Heiterkeit steigt, weil jeder und jede mit auf der Bühne zitierten Erkenntnissen seine Erfahrung gemacht hat. Ob es die Frau ist, die den Mann anjammert, sie habe nichts anzuziehen, oder der Mann, der von der Frau gelöchert wird: Liebst du mich wirklich? Wirkliche Liebe – gibts die? fragen die beiden Interpreten auf der Bühne lachend und verbeugen sich vor dem Publikum mit Augenzwinkern. „Gute Unterhaltung!“ – ja, das bot der Abend zu hundert Prozent. Theater ohne Trauerrand, ohne Mahnungen, ohne Gefasel von Augenhöue und Respekt. Man durfte einfach genießen!

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Sommerausklang mit Joseph Lorenz- Friedrich Torberg: Schüler Gerber. Kultursommer Semmering

„Der Spätsommermorgen war lau..“ So begann Joseph Lorenz und entführte das Publikum in ein mortales Roadmovie durch das qualvolle Schülerleben von Kurt Gerber. Die Luft war nicht lau, eher schwül. Wie vor einem Gewitter. Aber der Himmel blieb klar.

Wer sich fragte, warum Joseph Lorenz ausgerechnet diesen Roman von Torberg für eine Lesung wählte, der bekam schon in den ersten Minuten die Antwort darauf: Das war keine „Lesung“ im üblichen Sinn. Jospeh Lorenz hatte den Text bearbeitet und daraus ein Kammerspiel gestaltet. Ein Ein-Mann-Stück, in dem er alle Rollen spielte. Hochdramatisch, unsympatisch in Ton und Geste Gott Kuper, der Lehrer, der sich auf das Früchtchen Kurt Gerber freut, weil er siegessicher weiß: „Dich kriege ich klein“. Er will ihn ruinieren, ihn tranchieren. Lorenz ist Gott Kupfer mit all den unsympathischen Zügen: Gott mit unbeschränkter Haftung, Zyniker von Teufels Gnaden. Mit höhnisch verzogenen Mundwinkeln bereitet Kupfer sein Opfer auf das Ende vor. Doch bevor er sein Opfer in den Krallen hat, inszeniert Lorenz kleine Einzelszenen als Kabinettstückerln. So etwa, wenn der Superschüler Benda mit stoischer Ruhe mitten im Matheunterricht begehrt, aufs Wasserklosett gehen zu dürfen und den verdutzten Kupfer aufklärt, dass man sterben kann, wenn man den Harn zu lange zurückdrängt. Komisch und skurril auch die Szene bei Professor Ruprecht, bei dem Kurt Gerber Nachhilfestunden nimmt. Da entdeckt er mit Staunen und Verzücken, dass Professoren auch nur Normalos sind. Sie essen ein Schinkenbrot – diese triviale Erkenntnis lässt Kurt Gerber kichern und das Publikum lachen.

Joseph Lorenz ist der Schüler Gerber, intelligent, sensibel, verliebt, leidet unter dem Leiden seines Vaters, ist verzweifelt bis zurm Irrsinn. Ein Irrsinn, der ihn überfällt, das Fenster öffnen lässt und ihn in die Tiefe lockt. Der Tod ist gnadenlos, der Erzähler erstarrt, das Publikum atemlos. Am Ende braucht Jospeh Lorenz eine gute Minute, um aus diesem Todesschock in die reale Welt zurückzukehren. Auch das Publikum ist wie erstarrt, bevor es dann in frenetischen Applaus ausbricht.

Und wir, die wir einmal mehr eine Probe der großartigen Schauspielleistung bekommen haben, verstehen nicht, warum man den Namen Joseph Lorenz vergeblich im Spielplan der Josefstadt sucht. Aber wir haben einen Trost: Wo Joseph Lorenz auftritt, da geschieht Theater, da ist Dramatik. Er braucht keine „Bühne“, er schafft sich sein eignes Theater, und da genügen ein Sessel und ein Tisch. Aus der „Lesung“ wird das „Ein-Mann- Theater“, ein Kammerspiel!

Hier noch einige Hinweise, wo Jospeh Lorenz zu erleben sein wird:

Musiktage Mondsee, 1. September: Edgar Allan Poe

Theater Akzent, 22. September : Schüler Gerber und 29. November : Werfel, Verdi

Bösendorfer Festival in den Kasematten, Wiener Neustadt: 5. Dezember: Thomas Bernhard, Der Untergeher

Weitere Informationen zum Kultursommer Semmering: www.kultursommer-semmering.at

„Wir haben es nicht gut gemacht“ -Ingeborg Bachmann -Max Frisch. Salzburger Festspiele 2023

Mit: Lina Beckmann und Charly Hübner. Textfassung: Bettina Hering

Zwei Tische mit nötigem Abstand. Keine Videos, manchmal war die Stimme der Callas zu hören. Sonst : Nur die Briefe der beiden Schriftsteller, die miteinander nicht leben konnten, aber ohne einander auch nicht. Bettina Hering traf eine kluge Auswahl aus der Unzahl der Briefe von 1958 bis 1963. Was schon bald auffiel: Hering kam es nicht darauf an, die Liebe der beiden zu skandalisieren, auch nicht zu dem Mythos zu machen, wie sie bald in den Medien und auch in der Literaturberichterstattung wurde. Klug wählte sie Briefe aus, die beiden gerecht wurden – also nicht Max Frisch als „Mörder“ und Bachmann nicht als Exaltierte porträtierten. Das Publikum (im ausverkauften Landestheater) erlebte und fühlte mit, wie zwei Menschen um eine Liebe kämpften, die nicht gelingen konnte. Weil sie beide übersensibel auf Veränderungen im Gegenüber hellhörig waren, weil sie beide Schriftsteller waren und Schreiben eine einsame Angelegenheit ist. Der Kampf war auf beiden Seiten gleich mühevoll. Frisch war eher der Abwägende, der nach Gründen suchte, wie die Liebe doch Bestand haben könnte, sie – eher die Verzweifelte, die in der Liebe nicht heimisch werden konnte, weil sie um ihre Selbstbestimmung fürchtete. Sie war es auch, die die Heirat ablehnte. Sie war es, die von ihm die Briefe zurückverlangte, sie war es, die immer wieder selbstzerstörend fragte, verneinte, zögerte, verzweifelte. Sie war es auch, die 1963 die endgültige Trennung verlangte.

Er veröffentlichte 1964 den Roman „Mein Name sei Gantenbein“. Sie glaubte sich in der Figur Lila wiederzuerkennen und war tief verletzt. Aber das ist eine andere Geschichte, die an diesem Abend nicht aufgerollt wurde.

Das Publikum dankte mit langem, begeistertem Applaus für einen Abend, der so angenehm aus dem Rahmen der diesjährigen Festspiele fiel – durch seine Wahrhaftigkeit, Textbezogenheit, Schlichtheit – durch das Fehlen eitler Regieeinfälle. Es bräuchte mehr solche uneitlen Abende, um den Festspielen wieder Glanz zu verleihen.

Die Briefstellen wurden entnommen aus: Ingeborg Bachmann-Max Frisch „Wir haben es nicht gut gemacht“. Der Briefwechsel. Hg von Hans Höller, Renate Langer, Thomas Strässle, Barbara Wiedemann. Piper Verlag/ Suhrkamp Verlag 2022

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Schnitzler, Spiel im Morgengrauen. Spielort: Semmering. Erzähler und Spielleiter: Joseph Lorenz

Aus dem regenverhangenen Wien ging es hinauf auf den sonnigen Semmering, zum Panhans. Joseph Lorenz führte das Publikum durch die Erzählung von einem, der aus Spielsucht und Scham den Tod wählt, als wäre es ein Stück Theater: Spannung, Dramatik pur!

Otto Bogner, der aus Not in die Firmenkassa gegriffen hat und den Betrag – tausend Gulden – nicht rechtzeitig zurückzahlen kann, bittet seinen ehemaligen Kameraden, den Leutnant Willi Kassda, um Hilfe. Das Geld muss am nächsten Morgen in der Kassa sein. Schnitzler schildert nun mit tiefem Verständnis um menschliche Untiefen, wie jeder durch seine eigene Hölle geht: Bogner, weil er das Geld nicht rechtzeitig zurückzahlen kann. Willi, weil er am Spieltisch die Kontrolle verlor und aus Gier die schon gewonnenen 9.000 Gulden verspielt. Und letztlich erlebt der selbstbewusste Frauenheld eine weitere Hölle: die Erniedrigung durch eine Frau. Was bleibt als Lösung ist der Selbstmord, aus Angst vor der Schmach, aus dem Regiment ausgestoßen zu werden.

Es ist immer wieder ein Erlebnis, zu hören und zu spüren, wie Jospeh Lorenz die Charaktere herausarbeitet, die Dramatik der Szenen durch Tempo steigert, die Hoffnungslosigkeit des Leutnants nachvollziehbar macht, wenn dieser erkennen muss, dass es für ihn keinen anderen Ausweg als den selbstgewählten Tod gibt. Fein ziseliert Lorenz auch die Nebenfiguren: den Onkel, der helfen möchte, aber nicht kann, den Burschen des Leutnants, der hellsichtig durch eine barmherzige Lüge den Ruf des Toten schützt und dem Onkel eine bittere Erkenntnis spart. Und letztlich die einzige Frauenfigur in dem Spiel: Leopoldine Labus. Einst eine Rosenverkäuferin, die sich in den jungen Leutnant verliebt hat, mit ihm eine zärtliche Nacht verbringt. Doch er – immun für Feinheiten der Liebe – bezahlt sie für diese Nacht. Dafür rächt sie sich. Ohne Erbarmen! Ja, auch Frauen können das, und Schnitzler hat dafür viel Verständnis. Lorenz ebenso. Seine Leopoldine lässt er in allen Versionen der erotischen Nemesis auftreten. Es ist alles ein Spiel! Ein Spiel mit tödlichem Ausgang.

Weitere Vorstellungen im Panhans am Semmering – unter http://www.kultursommer-semmering.at

Valerio Rehrl und Joseph Lorenz: Mozart und Salieri. Szenische Lesung im Theater Akzent

Was ist Wahrheit? Erfahrungsgemäß gibt es DIE WAHRHEIT nicht. Auch die nicht über Mozart und Salieri. Es wurde gemunkelt, gedichtet, geschrieben. Zum Beispiel von Puschkin ein Libretto und von Rimski-Kirsakow die Musik dazu. Und so (Bild oben) hat man sich 1898 Mozart und Salieri vorgestellt: Vassillij Shkafer sang den jungen Mozart und Fjedor Schaljapin den Salieri. Und so sahen Mozart und Salieri im Theater Akzent aus:

Fotos: Tanja

Der Abend firmierte unter „Lesung“ – aber dieser Titel ist immer irreführend, wenn Joseph Lorenz auftritt. Das ist Theater pur, Hochspannung. In Valerio Rehrl hatte er den congenialen Partner gefunden. Den beiden genügte als Hintergrund ein bisserl Bilderzauber – einmal so à la Hofburg, wo Salieri mit dem Kaiser um das Salär für Mozart feilscht – nein, nicht um mehr herauszuholen, sondern um es zu drücken. Der Salieri ist bekanntlich stinkeifersüchtig auf den jungen Mozart, beneidet ihn um seine Unbekümmertheit, seine genialen Einfälle, seinen Mut – schlicht um alles, was Mozart ausmacht. So weit bekannt. Was sich aber da vor uns, dem Publikum, abspielte, war ein feingeschliffenes Furiosum an hinterlistiger, eleganter Intrige: Lorenz als Salieri- furchtbar freundlich, fast kriecherisch, tut auf Freundschaft und tut zugleich auf Rache. Dieses Doppelgesicht gelingt Lorenz ohne Übertreibung, so ganz feinsinnig, scheinheilig. Und Rehrl ist ganz Mozart: unbekümmert tollt er im Publikum umher, dabei über „Constanzes volle Scheißlust“ ein Liedchen trällernd. Da ist er der Bub, dann gleich wieder der Komponist, dem die Einfälle nur so aus dem Ärmel heraussprudeln. Und Salieri schaut sauertöpfisch dabei zu. Wie der Abend ausging? Das sei hier nicht verraten – wären Sie doch gekommen, um das zu erleben!! Vielleicht gibt es ja irgendwann eine Wiederholung.

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Theater Akzent: Anne Bennent liest „Das Wechselbälgchen“ von Christine Lavant

Musik: „Brot & Sterne“

Christine Lavant verfügt über eine Art poetischer Ursprache: Die Sätze fallen schwer wie Steine oder flattern leicht wie Windhauch durch den Raum. Anne Bennent hat diese Ursprache in sich – in jeder Rolle, die sie verkörpert. Mit ihrem Körper, ihrer Stimme und all ihrem Wesen sendet sie Lavants Botensätze hinein in das Publikum. Anne Bennent ist die geeignete Botin der Dichterin. Sie ist die Mutter, die ein WEchselbälgchen zur Welt bringt, das der Pfarrer unbarmherzig mit dem Namen Zita als uneheliches Kind stigmatisiert. Und sie ist das Kind, Zita, das kaum spricht. Da gibt es den Vater, einen Knecht, der dieses Kind nicht haben will. Doch es wird geliebt von der Mutter und auch von den anderen Kindern. Unter und mit ihnen spielt Zita immer das alte Spiel: Mutter – Kind. Und immer meldet sie sich lautstark: „I bin di Muata!“ Und darf es sein. Mit einer stummen Zärtlichkeit erfüllt, auch ihrem jüngeren – dann schon ehelich geborenen – Schwesterchen gegenüber. Den Tod, den der Vater eigentlich für sie arrangiert hat, hätte beinahe das Schwesterchen erlitten. Aber Zita rettete es mit dem Ruf „Ibin di Muata“ und geht dabei selbst in den Tod.

Diese fundamentale Geschichte über Liebe und Verzeihen kann hier nicht mit dürren Worten wiedergegeben werden. Nur so viel: Anne Bennent machte den Abend zu einer Weihe. Da erfährt man an Leib und Seele, was Dichtung kann: irreale Realität, gleichsam Traumsequenzen schaffen. Die durch die Musik der Gruppe „Brot &Sterne“ intensiviert werden. Franz Hautzinger, Matthias Loibner und Peter Rosmanith schaffen mit ihren Klängen genau den Raum, den diese Erzählung braucht. Die Intensität der Musik ist so stark wie der Text, ohne ihn zu übertünchen. Ein Abend, der lange in Erinnerung bleiben wird.

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Das Muth: „Hemingways Liebeshöllen“

Sona Mac Donald und Johannes Krisch: Rezitation, Philipp Jagschitz: Klavier

Eigentlich ist der Titel der Veranstaltung irreführend. Denn Angelika Hager, die für Text und Dramaturgie verantwortlich zeichnet, konzentrierte sich mehr auf die Frauen Hemingways und deren „Höllenqualen“. Johannes Krisch als Hemingway ist mehr oder weniger Stichwortgeber, hin und wieder seufzt er, resigniert und raisonniert darüber, wie ihn doch die Frauen und die Liebe quälen – all das sehr gekonnt! Aber leiden – leiden, das müssen die Frauen, und das führt Sona Mac Donald recht deutlich mit Text und Lied – begleitet von Philipp Jagschitz – dem Publikum vor Augen.

Es beginnt mit der Liebe zwischen Martha Gellhorn und Hemingway. Die beiden vorigen Ehefrauen Hadley Richardson und Pauline Pfeiffer sind Geschichte. Martha Gellhorn tritt auf und bald schon wieder ab. Sie muss die (platonische ?) Liebesgeschichte zwischen Ernest und Adriana Ivancich verkraften, die Reise- und Jagdlust ihres Ehemannes, der sie oft alleine zu Hause sitzen lässt. Scheidung, neue Ehe mit Mary Welsh. Am Ende dann die große – wirklich platonische Liebe? – mit Marlene Dietrich. Und Hemingways Selbstmord. Das alles erzählt, erlebt, ersingt Sona Mac Donald mit Bravour. Der Abend endet berührend mit dem Lied Marlenes: „Sag mir, wo die Blumen sind“ – eine deutliche Anklage der Männer, die Kampf, Krieg und Vernichtung über die Wellt bringen.

Viel Beifall!

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„Ein Sommernachtstraum“ – Shakespeare und Mendelssohn Bartholdy

Zyklus Literatur im Konzerthaus

Klavierduo: Sivan Silver und Gil Garburg.

Lesung: Oberon: Michael Maertens, Titania: Marie-Luise Stockinger, Puck: Daniel Keberle

Vorspiel: Leise, leise führt uns Mendelssohn Bartholdy in die Welt der Feen ein. Dann beginnt die Musik zu schwirren, es quirlt, hörbar schlägt Puck seine Kapriolen. Dabei wird sicher niemand einschlafen, auch nicht Titania, denn die hat nichts anderes vor, als Oberon zu drohen und sich über ihn zu ärgern- ein klassischer Ehestreit. Der bleibt gelassen – typisch Maertens: ihn kann nichts aus der Ruhe bringen. Pfiffig, witzig greift Puck, alias Keberle, in das Geschehen ein: er knurrt, juchzt, lacht, ist ein Wesen zwischen Tier und Kobold. Jedenfalls amüsiert er Oberon, vor allem aber das Publikum. Dann spielt das Klavierduo das von der Titania geforderte Schlaflied – und Marie Luise Stockinger fällt mit dem Kopf auf den Tisch. So kann Oberon ruhig seinen Zaubertraum über Titania senden, in dem sie sich bekanntlich in einen Esel verliebt. Die Traumhandlung wird nur verkürzt erzählt und durch die Musik vermittelt.

Nach der Pause wird Titania geweckt, Puck amüsiert sich köstlich (und das Publikum mit Puck mit) über diese „Liebesaffäre zwischen Titania und Esel. Oberon verkündet – ganz imperialer Zauberoberherr – das Ende des Traumes und die Versöhnung mit Titania. Mit dem berühmten Hochzeitsmarsch, der für das Paar Theseus und Hippolyta erklingt, endet der Sommernachtstraum.

Besser hätte man das Datum für diese Aufführung wählen können: Der Frühling brach mit voller Schönheit über Wien herein. Im Konzerthaus spielte man eine laue Sommernacht – gekonnt von dem Duo Silver-Garburg am Klavier in den Saal gezaubert. Die Musik spielte an diesem Abend eine tragende Handlungsrolle – viele Teile des Dramas hat Mendelssohn Bartholdy durchkomponiert, der Text „füllt“ die Lücken, die die Musik lässt, geschmeidig aus. Ein gelungener Abend, ironisch- heiter , wie es zum Frühlingsbeginn passt.

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Theater in der Josefstadt: Erwin Steinhauer liest „Leviathan“ von Joseph Roth.

Musikalische Begleitung: Andrej Serkov auf dem Knopfakkordeon

Intensiv und schlicht – so lässt sich dieser Abend zusammenfassen. Erwin Steinhauer liest. Ruhig, gelassen fließt die klare Sprache Joseph Roths dahin. Er – Josph Roth und mit ihm Erwin Steinhauer – lässt sich Zeit, verbreitet dichte Bilder des fiktiven Städtchens Progrody, das nicht zufällig an Brody, die Geburtstadt Joseph Roths, anklingt: Bauern und Bäuerinnen kommen zum Wochenmarkt, es wird gefeilscht, danach geht man zum Korallenhändler Nissen Piczenik und kauft Korallen. Nicht irgendwelche, sondern sorgfältig ausgewählte und liebevoll gehegte. Die Korallen sind für Nissen Piczenik lebendige Wesen, mit Blut erfüllt. Sie kommen aus den Tiefen des Meeres, wo Leviathan sie bewacht. Steinhauers Stimme lässt ein Kopftheater mit dichten Bildern entstehen. Wir sehen die Bäuerinnen, die sich die Korallenketten umglegen, wir sehen das Städtchen, wie es vor mehr als 150 Jahren ausgesehen haben mag. Wir sehen Nissen Piczenik, lassen im Kopf sein Bild entstehen.

Dazwischen spielt Andrej Serkov auf seinem Knopfakkordeon. Seine Töne zaubern ebenfalls Bilder in unsere Seele. Einmal sind es die Korallen, die wie Perlen durch die Hände der Bäuerinnen rieseln, dann hört man die Töne des Dorfes, meint die schweren Schuhe auf dem unebenen Pflaster zu vernehmen.

Dann wird Piczenik vom Teufel versucht – Lakatos liefert Plastikkorallen. Die Bauern verlieren den Respekt vor dem Echten, kaufen den Plunder. Und Piczenik kauft ebenfalls, mischt die echten mit den unechten. Erliegt der teuflischen Welt des Billigmarktes. Verzweifelt über seinen Treuebruch, beginnt er zu trinken. Verkommt. Steigt in den Zug. Wieder begleitet ihn und uns die Musik Serkovs, der Zug wird schneller, rast dem Ziel, dem Hafen zu, wo der Korallenhändler ein Schiff besteigt, das ihn nach Kanada bringen soll. Doch er überlegt es sich anders, gibt seinem Wunsch, zu seinen geliebten Korallen hinabzusteigen, nach und stürzt sich in die Tiefe. Andrej Serkov lässt ganz leise die Wellen über Nissen Piczenik zusammenschlagen. Stille. Lange Zeit schweigt das Publikum, lässt das Kopftheater weiter wirken. Spät erst kommt Applaus auf und dankt für einen Abend, ganz frei von Regieeitelkeiten. Wort und Musik waren die Hauptakteure.

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Kultursommer Semmering: Joseph Lorenz liest Stefan Zweig, Amokläufer

Unverwechselbar: Joseph Lorenz

Unverwechselba: Stefan Zweig

Stefan Zweigs Sprache ist gesprochene Musik – Josph Lorenz bringt diese Musik der Worte zum Klingen. Sie sind Partner, es könnte keinen besseren Interpreten für Stefan Zweigs große Sprachkunst geben.

Ganz ohne Regiefirlefanz lässt Lorenz das Psychogramm eines Besessenen entstehen. Jedes Wort hat seinen Wert, glänzt auf. Etwa in der Passage, in der Zweig den Nachthimmel über dem Meer beschreibt. Man spürt, erlebt das Licht hinter dem Sternen. Das Strahlen in der Dunkelheit.

Wie es die Novellenform verlangt, bettet Zweig diese rasante Erzählung in einen Rahmen. Gleichsam, um von dem Ungeheuerlichen, der Wucht der Tragik ein wenig Abstand zu gewinnen: Der Erzähler begegnet auf einer Schiffspassage von Kalkutta nach Neapel einem „Nachtpassagier“, der die Menge meidet. Doch dem Erzähler eröffnet er seine Tragik – den fatalen Fehler, eine Frau allzusehr begehrt zu haben und darüber seine ärztliche Pflicht zu helfen verabsäumt zu haben. Er fühlt sich für ihren Tod verantwortlich, ist es auch. Bevor sie stirbt, nimmt sie ihm das Versprechen ab, die wahre Ursache ihres Tode – eine verpfuschte Abtreibung – ihrem Ehemann und der Welt niemals preiszugeben. Dieses Versprechen hält er und opfert dafür sein Leben.

Ich habe schon mehrmals diese Lesung erleben dürfen – erleben ist das richtige Wort. Auch beim fünften Mal zogen die Wucht der Erzählung und die Kraft des Interpreten mich in den Bann. Das Herz klopfte heftig und der Puls stieg. Immer, wenn die Lesung endet, brauche ich eine WEile, um wieder „herunterzukommen“. Pardon, dass ich meine persönlichen Gefühle so offen hier beschreibe. Mich wundert es jedesmal wieder, wie Joseph Lorenz eine Welt, einen Charakter – besser gesagt, alle Charaktere der Erzählung – lebendig werden lässt. Dazu braucht er nicht Kostüm, Maske oder andere Requisiten, die nur stören würden. So mancher Regisseur könnte nach so einer „Lesung“ seine selbstverliebten Regiekonzepte überdenken und vielleicht sogar verwerfen. Aber das geschieht nicht – ganz einfach, weil sich kein Regisseur dafür Zeit nähme.

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Theater Akzent: „Sei vergnügt und wenig untreu“

Martina Ebm und Michael Dangl lasen aus dem Briefwechsel Stefan und Friederike Zweig

Musikalische Begleitung: Maria Fedotova: Flöte, Sebastian Gürtler: Geige

Friederike von Winternitz lernte Sefan Zweig 1912 kennen und verliebte sich in den damals schon bekannten Schriftsteller Hals über Kopf, ließ sich von ihrem ersten Mann scheiden und lebte zunächst mit Stefan Zweig zusammen. 1920 heirateten die beiden. Bald musste Friederike erkennen, dass sie Zweig nicht im Haus am Kapuzinerberg halten kann. Salzburg mit seiner „Schlaffluft“ wurde dem Reiselustigen mehr und mehr zuwider.

In dem Briefwechsel kamen schon sehr bald die feinen Brüche und Umbrüche dieser schwierigen Beziehung zu Tage.. Martina Ebm als Friederike war zuerst ein gurrendes, verliebtes „Lamm“ – so einer ihrer Briefunterschriften -, die sich ihrem „Gebieter“ unterordnet und sich brav um das Haus kümmert. Im Laufe der Beziehung schleichen sich immer mehr vorischtige Kritiken in ihre Briefe und schließlich auch eindeutige Mahnungen ein, dass sie von ihm mehr als nur kurze Reisestatements erwarte. Kein verliebtes Hascherl mehr, wandelt sich Friederike im Laufe der Jahre und der Briefe zu einer Frau, die zunächst die angedeuteten Seitensprünge toleriert, letztendlich die Entfremdung nicht mehr übersehen kann. Michael Dangl konnte einmal mehr den Frauenheld und Frauenliebling herauskehren, wie er auch in der Rolle als berühmter Schriftsteller – nämlich als Stefan Zweig – in der dramatisierten Novelle „Brief einer Unbekannten“ an der Josefstadt brilliert. Mancher Lacher blieb dem Publikum im Halse stecken, wenn Zweig diskret, aber eindeutig seiner Frau die erotischen Abenteuer andeutet. Zunächst antwortet sie scheinbar gelassen: „Sei vergnügt und wenig untreu!“ Doch bald zerbricht unter der herablassenden Behandlung Stefan Zweigs die Ehe. Das Ende kommt rasch, als sein Haus durchsucht wird und er ahnt, dass er bald in Deutschland und Österreich keine Leser mehr haben wird. Sein „Wunsch, die Welt noch einmal rund zu sehen, ehe sie zusammenkracht“, sollte früher, als er dachte, in Erfüllung gehen: Nach der Scheidung von Friederike flieht er nach Brasilien, wo er mit seiner zweiten Frau 1942 Selbstmord begeht. Mit dem berührenden Abschiedsbrief an Friederike endete dieser Abend.

Für den passenden musikalischen Rahmen sorgten Maria Fedotova auf der Flöte und Sebastian Gürtler auf der Violine. Sie spielten aus den „Duos für zwei Violinen“ von Bela Bartok und zeigten ihre Virtuosität in modern anmutenden Kompositionen, wie die von Peeter Vähi. Die ausgewählten Musikstücke passten perfekt zur jeweiligen Gefühlstemperatur des Ehepaares Friederike und Stefan Zweig – mal romantisch verspielt, dann wieder spöttisch-distanziert. Auch der Ehekrach kündigte sich in musikalischn Dissonanzen an.

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Theater Akzent: Joseph Lorenz liest Stefan Zweig: Brennendes Geheimnis

Joesph Lorenz ist der ideale Interpret für Stefan Zweig.. An diesem Abend entführte er das Publikum in ein Nobelhotel am Semmering, Wir sehen den Baron eintreten und enttäuscht in der Gästeliste blättern: Kein geeignetes Flirtobjekt. Dann betreten eine nicht mehr ganz junge Frau und ihr 12jähriger Sohn die Lobby und sofort nimmt er die Dame als geeignete Beute ins Visier. Da sie sich kühl und unnahbar zeigt, sucht er den Kontakt zum Sohn. Edgar ist ein sensibles Kind, das von der Mutter noch nicht viel Liebe erfahren hat. Der ferne Vater droht im Hintergrund der Novelle als moralische Instanz, die von Mutter und Sohn gleichermaßen gefürchtet wird. Es war spannend, wie Zweig tief in die Seele dieses Kindes hineinleuchtet. Und Joseph Lorenz das Publikum mitnimmt in das Geschehen aus der Sicht des Knaben. Edgar weiß noch nichts von den Lügen und Verstellungen der Erwachsenen, fällt auf die freundliche Maske des Barons herein, der ihn als Köder benützt. „Bald hatte er (der Baron) das heiße, zuckende Herz (des Kindes) in der Hand“. Und bald schon war die Frau Wachs in seinen Händen und die Beute reif zum Abschuss, doch Edgar stört. Er wird ausgetrickst und bei Seite geschoben.Hass auf den Baron und auf seine Mutter lässt ihn zum Spion werden. Er greift den Baron tätlich an, als dieser seine Beute schon fest im Griff hat. Es kommt zum Kampf. Gebannt folgt das Publikum Joseph Lorenz, der es versteht, die Spannung aufzubauen und zu halten. Man sieht den Knaben im dunklen Hotelgang lauern, erlebt, wie er sich auf den Baron stürzt, ihn beißt und schlägt. Ein Skandal! Edgar fllieht aus dem Hotel und reist zu seiner Großmutter nach Baden. Doch dort warten schon der zornige Vater und seine verängstigte Mutter. Wird er dem Vater verraten, was da in dem Hotel am Semmering geschehen ist? Die flehenden Augen der Mutter und ihr Zeigefinger, den sie auf ihre Lippen legt, lassen ihn verstummen. Dann der großartige Schluss: Im Halbschlaf spürt er die Hand seiner Mutter, die zärtlich über seine Wange streicht. Er hat zwar das Geheimnis der Erwachsenen noch nicht enträtseln können, aber sehr wohl verstanden, dass deren Welt aus Lüge und Heuchelei besteht. In dieser Nacht verabschiedete sich Edgar von seiner Kindheit.

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Joseph Lorenz las „Amok“ von Stefan Zweig. Theater Akzent

Was passiert mit einem Menschen, der jahrelang in der Einsamkeit des indonesischen Dschungels sitzt und kaum Kontakt zu Menschen hat? – Er säuft, wird depressiv, verliert leicht die Kontrolle über sich selbst und läuft bei der erstbesten Gelegenheit Amok. Von dem erzählt wird, ist Arzt, wer ihn Amok rennen lässt, ist eine Britin von kalter Schönheit und unnahbarer Eleganz.Es ist die Geschichte, wie aus Gier Hass und aus Hass Liebe wird. Alles im Zeitraffer eines Amokläufers.

Stefan Zweig lässt die Novelle Anfang des 20. Jahrhunderts spielen. Und Joseph Lorenz transferiert das Geschehen in den Moment des Zuhörens: Wir werden in diese Schwüle der Gefühle, in die rasende Ratlosigkeit des Arztes hineingezogen, wir spüren den wochenlangen Regen, die Hitze. Wir rennen mit dem Arzt, der dieser unnahbaren Schönheit eine (damals illegale) Abtreibumg verweigert und deshalb schuldig wird, wir rennen Amok durch die Kleinstadt, spüren die befemdeten Blicke, die ihm folgen, bangen, ob er die mutig-kalte Frau nach dem tödlichen Eingriff einer Pfuscherin noch wird retten können. Wir leiden sein Leid, seinen Schmerz, seine Trauer, als sie stirbt. Wir bewundern seine Zielsstrebigkeit, als er alles riskiert, um sie vor dem Ehemann zu schützen, der dem ausgestellten Totenschein misstraut. Wir erleben ihn, als er den Sarg und sich in die Tiefe des Meeres stürzt und so das Geheimnis dieser Frau vor Entdeckung schützt. Der Amoklauf endet da, im Moment des Todes.

Joseph Lorenz hat eine neue Art von Kunstgattungt geschaffen – die dramatische Lesung. Er braucht keine Kulissen, keinen Regisseur – im Gegenteil: Allein dem Text und dem Publikum verpflichtet, ist er unübertrefflich. Gleich zu Beginn versetzt er uns in die Schwüle eines von Sternen strahlenden Nachthimmels, Wir spüren den Duft, der von einer fernen Insel herüberweht. Die Sätze sind von starker Sinnlichkeit. Lorenz formt präzise Charaktere, ist einer, dann ein anderer. Ist die Frau in ihrem Hochmut, ist der hilflos ausgelieferte Mann, der Amok läuft, ist der Arzt, der vergißt, dass seine Pflicht helfen heißt, ist derselbe, der weinend über der Toten zusammenbricht. Ist erschöpft am Ende seines Leseamoks durch die Seele eines Zerbrochenen.

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Am 19. Februar 2022 wird Joseph Lorenz Stefan Zweigs Novelle „Brennendes Geheimnis“ im Theater Akzent lesen. Achtung: Im Studio, nicht im Hauptsaal.

Vindobona: „O du mein Österreich“ mit Joseph Lorenz

Wien hat seit 2020 eine neue, vielseitige Bühne, das „Vindobona“. 1919 bereits Kino, dann nach unterschiedlichen Betreibern 2020 von dem Gastronom und Manager Wolfgang Ebner üernommen und zu einem vielseitigen Betrieb ausgebaut: Café, Restaurant und Bühne für Kleinkunst, Shows und Kabarett.

Joseph Lorenz ( © Ch._Zada)

Joseph Lorenz eröffnete mit seiner Lesung „O du mein Österreich“ den Reigen der literarischen Abende/Matinees. Bekannt aus vielen Schnitzlerinszenierungen und Lesungen verschiedener Novellen von Zweig und Schnitzler, kann Lorenz auch urkomisch und zutiefst abgründig sein. Mit umwerfendem Humor und feiner Ironie bereitete er vor dem Publikum in der Lesung „O du mein Österreich“ eine reiche Palette von österreichischen Urtypen aus: den Raunzer, den Beamten, den betrunkenen Propheten, den befehlshörigen Soldaten und viele mehr. Dazu braucht Lorenz weder ein Bühnenbild noch mitwirkende Schauspieler. Denn er füllt jede Figur mit prallem Leben, switcht von einem Charakter in Sekundenschnelle in einen anderen. Die Ansammlung von kuriosen Ereignissen und Personen bezeichnet er treffend als „österreichische Merkwürdigeiten“. Und merkwürdig und denkwürdig sind sie alleweil, treffend festgehalten von Anton Kuh, Alfred Polgar, Peter Hammerschlag,Hugo Wiener oder Friedrich Torberg. Wenn er die leicht bescheuerten Feldwebel, den Betrunkenen, der die Zukunft weissagt, die belämmert aussehenden Beamten im Arbeitsamt, die gelangweilten Adeligen im Demel spielt, dann gibt er allen die passende Sprache. Urkomisch etwa die Szene im Dehmel nach dem 1. Weltkrieg: Trautmannsdorf und andere zu Null degradierte Adelige nuscheln sich über die Probleme nach dem Krieg einfach hinweg. Das Seviermädel knickst, versteht nix, aber das macht nix, Hauptsache ist die Sachertorte.

Einmal wird er ernst: Er erinnert an seinen Vater Willy Lorenz, der Soldat, Widerstadskämpfer, Kommunist, Diplomat und Historiker war. Sein Text „Nekrolog auf eine Ribisel“ ist eine Abstrafung des Österreichers, der sich sprachlich und auch sonst sehr schnell an Gegebenheiten anpasst und ohne Probleme seine eigene Sprache, Idendität aufgibt, wenn die Mehrheit es so will.

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Kultursommer Semmering: Loriot und die Welt der Musik. J.Lorenz und D. Keberle

Am Klavier: Cécile Restier

Hatten wir die letzten beiden Jahre nichts zu lachen – an diesem Nachmittag konnten wir das Manko zur Genüge auffüllen.

In dem wunderbar dekadenten, leicht ruinösen Südbahnhotel boten Joseph Lorenz und Daniel Keberle Kabarett vom Feinsten, vom Feinsinnigsten und verdienten sich den Ehrentitel „Castor und Pollux am Sternenhimmel des Kabaretts“. Beide sind ein eingespieltes Paar. Treue Besucher des „Kultursommer Semmering“ werden sich an das ironische Pingpong zwischen Max und Anatol erinnern.

Unter dem Motto „Ein bisserl Oper am Semmering“ gab es zu Beginn Loriots bissige Gedanken zu Opern von Bizet, Rossini , Händel, Mozart. Besser gesagt zu den nicht immer logisch nachvollziehbaren Libretti. Alles kam locker hinüber, unvorhergesehene Hoppalas und Zwischenfälle waren geschickt eingeplant und platziert. Cécile Restier spielte aus den jeweiligen Opern die bekanntesten Stücke, dazu passend in flotter „Gassenhauer-Manier.“

Nach Loriot wühlten Castor und Pollux in der Humorkiste und wurden bei Hugo Wiener, Anton Kuh, Friedrich Torberg und Leo Slezak fündig. Gustostückerln aus der berühmten Doppelconférance Farkas-Waldbrunn, etwa über den Statistiker oder die Levkojen bereiteten den beiden ebenso viel Vergnügen wie dem Publikum. Dass Joseph Lorenz auch singt und pfeift, ist für „Lorenz-Kenner“ ein Novum. Im tiefsten Meidlingerisch sang und pfiff er die deftige „Bassenamelodie“ (aus der Liedersammlung von Kurt Sowinetz) über den „Hausmasta“, der alle bespitzelt und verleumdet. Daniel Keberle ließ sich nicht lumpen und forderte Lorenz zum Kunstpfeifduell heraus. Zu Lachsalven reizte Joseph Lorenz das Publikum mit seiner mitreißenden Darstellung des leidgeplagten Kapellmeisters (Text: Anton Kuh), der den Tristan dirigieren muss und alles, Musik und Instrumente, in Grund und Boden hasst. Als herausforderndes Pinpong gestalteten die beiden den Schluss als Schüttelreimduell. Das Publikum dankte dem Trio mit viel Applaus!

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Kultursommer Semmering: Briefwechsel Friederike und Stefan Zweig: „Sei vergnügt und wenig untreu!“

Lesung: Martina Ebm und Michael Dangl, Musik: Maria Fedotova:Flöte, Sebastian Gürtler: Violine

Friederike von Winternitz lernte Sefan Zweig 1912 kennen und verliebte sich in den damals schon bekannten Schriftsteller Hals über Kopf, ließ sich scheiden und lebte zunächst mit ihm zusammen. 1920 heirateten die beiden. Bald musste Friederike erkennen, dass sie Zweig nicht im Haus am Kapuzinerberg halten kann. Salzburg mit seiner „Schlaffluft“ wurde dem Reiselustigen mehr und mehr zuwider.

Es war pures Vergnügen mitzuerleben, wie die beiden Künstler die feinen Brüche und Umbrüche dieser schwierigen Beziehung herausarbeiteten. Martina Ebm zuerst als gurrendes, verliebtes „Lamm“ – so einer ihrer Briefunterschriften -, die sich ihrem „Gebieter“ unterordnet und sich brav um das Haus kümmert. Im Laufe der Beziehung schleichen sich immer mehr vorischtige Kritiken in ihre Briefe und schließlich auch eindeutige Mahnungen, dass sie von ihm mehr als nur kurze Reisestatements erwarte.Der Übergang vom verliebten Hascherl zur selbstbewussten Frau gelang Martina Ebm ausgezeichnet. Michael Dangl konnte einmal mehr den Frauenheld und Frauenliebling herauskehren, wie er auch in der Rolle als berühmter Schriftsteller – nämlich als Stefan Zweig – in der dramatisierten Novelle „Brief einer Unbekannten“ an der Josefstadt in der vergangenen Saison brillierte. Mancher Lacher blieb dem Publikum im Halse stecken, wenn Zweig diskret, aber eindeutig seiner Frau die erotischen Abenteuer andeutet. Zunächst antwortet sie scheinbar gelassen: „Sei vergnügt und wenig untreu!“ Doch bald zerbricht unter der herablassenden Behandlung Stefan Zweigs die Ehe. Das Ende kommt rasch, als sein Haus durchsucht wird und er ahnt, dass er bald in Deutschland und Österreich keine Leser mehr haben wird. Sein „Wunsch, die Welt noch einmal rund zu sehen, ehe sie zusammenkracht“, sollte früher, als er dachte, in Erfüllung gehen: Nach der Scheidung von Friederike flieht er nach Brasilien, wo er mit seiner zweiten Frau 1942 Selbstmord begeht. Mit dem berührenden Abschiedsbrief an Friederike endete dieser Abend, der das Publikum teils amüsiert, die meisten aber nachdenklich entließ.

Für den passenden musikalischen Rahmen sorgten Maria Fedotova auf der Flöte und Sebastian Gürtler auf der Violine. Sie spielten aus den „Duos für zwei Violinen“ von Bela Bartok und zeigten ihre Virtuosität in modern anmutenden Kompositionen, wie die von Peeter Vähi. Die ausgewählten Musikstücke passten perfekt zur jeweiligen Gefühlstemperatur des Ehepaares Friederike und Stefan Zweig – mal romantisch verspielt, dann wieder spöttisch-distanziert. Auch der Ehekrach kündigte sich in musikalischn Dissonanzen an.

Ein hoch künstlerischer Abend voller Intensität, mit klug ausgewählten Textstellen, hervorragenden Interpreten und intensiver Musik!

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Kultursommer Semmering: Eine Pilgerfahrt zu Beethoven – „Die Unspielbare“

Joseph Lorenz – Lesung

Florian Krumpöck -Klavier

Florian Krumpöck, Pianist und Intendant des „Kultursommer Semmering“, ehrte Beethoven mit seinem grandiosen Spiel der Sonaten für Klavier Nr. 27 und 29, die als unspielbar galten. Mit höchster Konzentration, frei ohne Noten, spielte er beide Musikstücke. Er kümmerte sich nicht um die Anweisungen, wie „durchaus mit Empfindung…, sehr singbar“, sondern führte den verzweifelten, das gängige Musikleben missachtenden KOmponisten vor. Hart, kompromisslos mit sich, mit den Zuhörern.

Danach las Joseph Lorenz den von Nina Sengstschmid feinfühligen und spannend geschriebenen Text über Beethovens große, geheime Liebe zur Baronin von Stackelberg und über Beethovens ebenso verzweifelte Liebe zu seinem Neffen und Ziehsohn Karl. Der Komponist, 1812 am Höhepunkt seines Schaffens, soll die verheiratete Baronin von Stackelberg leidenschaftlich geliebt haben. Eine einzige Liebesnacht hatte wahrscheinlich Folgen. Genau 9 Monate später gebar die Baronin ein Mädchen, dem sie den Namen Minona gab – was von rückwärts gelesen „Anonim“ ergab. Beethoven sah seine Tochter nie. S starb 1896 vereinsamt und kinderlos. Beethoven schrieb damals in sein Tagebuch:“Für dich gibt es kein Glück“. Und so konzentrierte er seine ganze Liebesfähigkeit auf seinen Neffen Karl, für den er im ewigen Rechtsstreit mit dessen leiblicher Mutter, die er für eine liederliche Person hielt, lag. All diese Sorgen und Qualen schleuderte Joseph Lorenz als Beethoven Gott entgegen und schuf mit weit ausladenden, bittenden, flehenden Gesten einen tief verzweifelten Beethoven. Man hörte ihm bis ins tiefste erschüttert zu. Zugleich gab er dem Kind Karl, später dem jungen Erwachsenen seine Stimme, der unter der erdrückenden Liebe seines Ziehvaters sehr litt und sich diesem Gefühlsgefängnis nur durch Selbstmord glaubte retten zu können. Beethoven und Karl litten gleichermaßen unter diesem „Liebeszwang“. Der Verzweiflung beider gab Lorenz Raum und genialen Ausdruck.

Der sehr emotionale Abend endete mit viel Bravorufen und einem begeisterten Applaus.

Informationen und Karten:http://www.kultursommer-semmering.at

Kultursommer Semmering: Senta Berger liest Alfred Polgar „Sie und Er“.

Musikalische Begleitung: Semmeringer Salonquartett

Senta Berger hat vom ersten Augenblick die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Locker erzählt sie über ihren Zugang zu dem Schriftsteller Alfred Polgar, den sie erst im zweiten Anlauf als einen „intelligenten Beobachter der archaischen Eigenschaften der Menschen“ kennen lernte.

Sofort ist das Publikum gebannt von den Figuren, die Senta Berger entstehen lässt: Mit Stimmwechsel, sparsamen Gesten, einem feinen Minenspiel und vor allem auch gekonnten Pausen, die auf die Pointe vorbereiten, entstehen lebendige Figuren, die allen im Publikum irgendwie vertraut sind. „Sie und Er“ sind Menschen des Alltags, die streiten, zanken und letztendes doch ein Zueinander finden trotz aller Widrigkeiten. Die feine Balance zwischen Ironie und Bitterkeit, zwischen Eifersucht und bedingungslosem sich Fügen, zwischen Angst, den anderen zu verlieren, und Ärger über den Partner, der sich bis zu momentanem Hass steigern kann, all dieses Panorama menschlicher Beziehungen fängt Alfred Polgar in fein gesponnenen Alltagsbeobachtungen ein. Ja, es „menschelt“ sehr. Und Senta Berger gibt diesen Menschen ihre Stimme, macht aus den Texten Minikomödien. Dem grantigen Ehemann, der seine Frau beim Essen beobachtet, gibt sie ihre Stimme genaus so wie den intriganten Freunden, die hämisch beobachten, wie aus dem ehemals gestandenen Kerl nach der Hochzeit ein „Schlucksi“, ein seiner Angetrauten hündisch ergebener Ehemann wird.

Begleitet wurde sie vom „Semmeringer Salonorchester“, die flotte, frisch-freche Musik von Carl Michael Ziehrer, Fritz Kreisler und Ferdinand Ries passend zu Texten spielten. (Luís Morais 1. Violine, Anna-Katharina Tittgen 2. Violine, Giorgia Veneziano Viola, Ute Groh Cello)

Im nachfolgenden „Künstlergespräch“ mit Florian Krumpöck erzählte sie über ihre Eltern, die trotz der ärmlichen Verhältnisse, in denen sie lebten, ihr eine künstlerische Erziehung boten. Gefragt nach Gedanken zum Tod – die Künslterin wurde gerade 80 – meinte sie: „Ich muss Endlichkeit erst lernen. Immer noch glaube ich, dass ich unsterblich bin.“ Freimütig gestand sie ein, dass sie in den Morgenstunden sehr wohl die trüben Gedanken vertreiben muss. Dennoch hat sie sich ihren Grabstein und die Schrift darauf schon ausgesucht. Dann mit Augenzwinkern: „Ich will ja wissen, unter welchem Grabstein ich liegen werde.“ Ihr lebensbejahender Humor und ihre Liebe zur Familie sind wohl die Hauptstützen, die sie durch ihr Leben tragen. Eher nüchtern handelte sie ihre Filmkarriere in Hollywood ab. Als sie die Rolle der Buhlschaft übernahm, war sie sehr froh, „in die eigene Sprache und Lebensweise zurückzukehren.“ Stolz ist sie auf die Filme, die sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Michael Verhoeven drehte. Dass sie der berühmten Schauspielerin Catherine Deneuve ihre Synchronstimme lange Jahre lieh, war wahrscheinlich nicht allen im Puvlikum bekannt. Obwohl Senta Berger anlässlich ihres 80. Geburtstages schon zahlreiche Interviews in Radio und Fernsehen gab, wirkte sie im Gespräch, als erzählte sie alles zum ersten Mal. Auch das ist große Kunst.

Alle Infos zu den kommenden Veranstaltungen unter:

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Mit Maria Happel als intrigante Marquise und Michael Maertens als der Dauerverführer Valmont.

Angelika Hager, Intendantin des „Schwimmenden Salons“: Happel und Maertens, die beide in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum feiern, werden sie in die verderbte und sittenlose Rokokowelt einführen.“

Bevor Happel und Maertens in ihre Rollen schlüpften,skizzierten sie diese „verderbte Welt“: Es war die Zeit des Puders und Parfums statt Seife und Waschzuber, die Zeit der 4 Meter hohen Perücken und der überdimensionalen Reifröcke. Während das Volk verhungerte, feierte der Adel und verfing sich in Klatsch und Intrigen. Um die Atmosphöre ironisch zu veranschaulichen, brachten die Kinder von Maertens einen riesigen Fächer, eine Perücke und ein Silberkästchen auf die Bühne. Dem Publikum gefiel diese „Petitesse“, um im Jargon zu bleiben.

Laclos Briefroman ist ein bitterböses Sittenbild des 18. Jahrhunderts. Er reißt dem Adel die Maske vom Gesicht, aber ohne moralischen Zeigefinger. Eher mit ironischer Gelassenheit lässt er die beiden Protagonisten ihre bösen Spiele spielen. Als die Spiele tödlich enden, kommt ein Schaudern beim Zuhörer/Leser oder Zuseher auf ob der Gleichgültigkeit der adeligen Gesellschaft, mit der sie die Ereignisse kommentieren.

Nun war es ein riskantes Unterfangen, in einer Lesung diesen tödlichen Schauder dem Publikum zu vermitteln. Einerseits haben die meisten den Film in der Regie von Stephen Frears und viele vielleicht die Dramatisierung von Christopher Hampton mit Herbert Föttinger als Valmont und Andrea Jonasson als Marquise in Erinnerung. Gegen diese inneren Bilder mit einer Lesung anzutreten, ist nicht leicht. Noch dazu in einer gekürzten Fassung von eineinviertel Stunden. Mit witzig-ironsichen Wortschöfpungen wie „Klosterschwalbe“ für die junge Klosterschülerin Cécile oder „durchlüften“ für heftiges Bearbeiten der Vagina wurde der manchmal recht sperrige Text „durchlüftet“. Maria Happel gab eine grantige, böse Frau, die ihre Zeit dazu benützt, andere ins Verderben zu stürzen. Den alternden Verführer, der sich nicht scheut, seine sittenstrenge Geliebte Madame Tourvel in den Tod zu treiben und die Klosterschülerin Cécile hinterlistig zu entjungfern, gab Michael Maertens. Er präsentierte Valmont als Weichling ohne Gewissen.

Leider ist der Schluss ziemlich gekürzt worden, und so verlief das tragische Ende aller Beteiligten irgendwie in den Sand – besser gesagt in den Wind, der schon recht kühl über die Köpfe der Zuhörer wehte, die auch schon gleich nach dem ersten freundlichen Applaus das Weite suchten.

Programm und Infos zum „Schwimmenden Salon“:

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Ein Abend mit Andrea Jonasson im Theater „Komödie am Kai“

Ein Benefizabend zu Gunsten des Theaters „Komödie am Kai“

„Ich trage den Smoking von Giorgio Strehler.“ So begann ein interessanter und berührender Abend. Ein Gespräch, zu dem die Schauspielerin gleichsam in ihr Wohnzimmer einlud. Im Mittelpunkt Erinnerungen an Giorgio Strehler, dem Theatergiganten und Ehemann. „Er fehlt mir sehr“, gesteht sie. In den Erinnerungen, die sie dem Publikum an diesem Abend schenkt, wird er lebendig. Bringt ihr Italienisch bei, quält sie mit Details, die aber ungeheuer wichtig sind. Lässt sie Sätze hundert Mal üben. Selbst Jahre nach seinem Tod spürt man die Verbundenheit dieser beiden Theatermenschen.

„Wie erklärt man ein Genie?“ fragt Andrea Jonasson. Sie versucht es. Giorgio Strehler, der Magier: Mit wenigen Effekten und einfachen Mitteln zaubert er das Licht und die Wellen Venedigs auf die Bühne. „Ich hatte großes Vertrauen in ihn. Ich wusste gar nicht, dass ich so gut bin“, sagt sie hörbar bewegt. Strehler war es, der sie immer und immer wieder auf die Bühne stellte und mahnte, sie dürfe nie das Theater verlassen. „Und nun habe ich nichts, keinen Theatervertrag“, gesteht sie mit berührender Offenheit. Wahrscheinlich fragen sich alle im Publikum, warum der Direktor des Theaters in der Josefstadt sie nicht beschäftigt.

Zwischen den Erinnerungen an Giorgio Strehler liest sie Gedichte von Heinrich Heine, Bert Brecht und aus den „Alten Meistern“.

Ein Abend, an dem eine große Schauspielerin unerwartet offen über ihre große Liebe und Bewunderung für Giorgio Strehler spricht und Kostproben ihrer Interpretationskunst dem Publikum schenkte.

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Joseph Lorenz: Traumnovelle von A. Schnitzler. Kultursommer Semmering

Dunkle Wolken ballen sich über dem Südbahnhotel zusammen. Sie werden bald die Schwüle des Tages beenden. Als der schwere Regen auf die Terrasse prasselt und kühle Bergluft in den Saal hereinweht, beginnt Joseph Lorenz das Publikum in die „Traumnovelle“ hineinzuführen. „Es ist Zeit schlafen zu gehen“ – das Thema Schlaf und Traum ist angekündigt.

Fridolin und Albertine kommen von einer Redoute, die einen Hauch von Abenteuer in das Alltagsleben des Ehepaares wehte. Sie erzählen einander von nicht erfüllten erotischen Begegnungen. Die Geständnisse klingen harmlos, wühlen aber in beiden den Wunsch nach Erotik und Sex außerhalb des Ehelebens auf. Fridolin treibt es mitten in der Nacht hinaus aus der Häuslichkeit, auf die Straße. Ihm werden die blasse Marianne, die ihn verzweifelt anbetet, die blutjunge Prostituierte und die verrückte Tochter des Kostümverleihers begegnen. Sie alle könnte er leicht verführen, ganz ohne Anstrengung. Aber er ist ruhelos, will weiter. Bis er durch die Vermittlung des Klavierspielers Nachtigall Zutritt zur geheimnisvollen Villa findet. Ein Nobelclub der ERotik, der Schwüle, lebensgefährliche Begegnungen mit einer geheimnisvollen Frau – zuerst verschleiert, dann nackt… Später dann findet er sich wieder auf der morgengrauen Straße, taumelt heim. Albertine erzählt ihm ihren erotisch aufgeladenen Todestraum, in dem sie ihren Ehemann töten lässt. Ihr Traum als Ahnung, als Rache an den ERotikwünschen ihres Mannes? Wo endet die Kraft des Traumes?

Fridolin fühlt die Kluft, die sich zwischen ihnen auftut. Am Morgen geht das Leben in der Scheinnormalität weiter.Doch nichts ist mehr normal. Die geheimnisvolle Frau aus der Villa hat vielleicht Gift genommen – Fridolin taumelt in die Pathologie: Ist sie es?

Schnitzler schreibt über das Verwobensein geheimer Erotikwünsche, die in den Alltag hineinspielen. Manches aus dem Unbewussten steigt an die Oberfläche auf, lässt Realität und Traum eins werden. Lange hat sich der Arzt Schnitzler mit Traumanalyse beschäftigt, die Wirkung der unerfüllten Sehnsüchte auf das Ich analysiert. In der „Traumnovelle“ bleiben Traum, Schlaf und Tagleben ineinander verwoben. Die unerfüllten Wünsche wirken in den Traum hinein, der Traum in den Tag. Albertine lebt ihre Rache im Traum aus. Fridolin erlebt eine Nacht voller Erotikbegegnungen, die unerfüllt bleiben. Beide werden sich in der Ehe immer weiter voneinander entfernen. Trotz des Versprechens, sich immer alles wahrheitsgemäß zu erzählen.

Joseph Lorenz gestaltet die Novelle zu kleinen Dramoletten. Jede Figur bekommt einen Charakter mit Wiedererkennungseffekt, den er mit Tonfall, Pausen, Gesten und Mimik herausarbeitet. Köstlich und komödiantisch ist etwa die Szene mit dem Mädl, das sich Fridolin schüchtern-verschämt als Prostituierte anbietet. In einem zärtlichen Wienerisch zaubert Lorenz ein Mädl vor die Augen des Publikums, das man gern haben muss. Intensiv in Sprache und Gestik schwappt die schwüle Erotik, die Fridolin in der Villa erlebt, in das Publikum. Man ahnt den Geruch von Begehren, Sex und Todesnähe. Man sieht die geheimnicvolle Schöne vor sich, taucht ein in die Tiefe dieser Augen…Das alles kann Lorenz. Denn er wagt das Pathos, die große Geste, die lange Pause zwischen den Worten. Darum sind seine „Lesungen“ keine Lesungen im üblichen Stil, sondern ein Einmann-Theater!!!

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Musikalisch eingerahmt von den „Wiener Instrumentalsolisten“

Ein Sommertableau, wie es in den diversen Bücheln von Altenberg bis Schnitzler nachzulesen ist, gibt den Hintergrund des heiteren Abends ab: Durch die hohen Fenster des Waldhofsaales in dem verwunschen schönen „Südbahnhotel“ streift eine milde Abendsonne die Waldrücken. HIe und da glimmt das Türmchen einer verspielten Jahrhundertwendevilla durch die Bäume auf.

Dazu spielen die Wiener Instrumentalsolisten (Karl Eichinger Klavier, Rudolf Gindlhumer Querflöte und Christian Löw Trompete) alles, was zu einer frohen Sommerstimmung passt, angefangen von Piazzolla (das Bandoneon fehlt schmerzlich), über Beethoven, Gulda bis Bolling.

Mit sommerlich launiger Stimme führt Petra Morzé durch den literarischen Gemüsegarten und pflückt Erinnerungen an die Zauberberge rings um die Rax. Da wird geflirtet, von Liebe geredet und so schnell wieder vergessen, wie geschworen. Halt, nein, ein Flirt sollte tiefer gehen: der zwischen Arthur Schnitzler und Olga Waissnix. Pech nur für Schnitzler, dass Olga einen rasend eifersüchtigen Ehemann hatte. So kam es nur zu verliebten Worten und heimlichen Küssen. Was blieb, war Olgas untrüglicher Sinn für gute Literatur. Sie wurde Schnitzlers erste und wichtigste Kritikerin.

Passend zur Zauberstimmung, die durch die Fenster hereinströmt, schließt Petra Morzè mit Rilkes Gedichten an die Schönheit und Süße des Sommers.

Doch halt, noch schließt sie nicht. Den krönenden Abschluss bildet der Text „Sommerepilog“. Schnell errät das Publikum, dass es ihre eigenen Erinnerungen sind. Als sie vor 14 Jahren mit ihren Kindern nach Reichenau fuhr, wo sie die Genia in Schnitzlers „Das weite Land“ genau an diesem Platz vor der Terrasse mit dem Blick hinaus in die Landschaft spielte. „Es war und ist eine Welt hinter der Welt“, resümiert Morzé ein wenig wehmütig.

Joseph Lorenz las im „Theater im Salon“ A. Christies Kurzgeschichte „Das Abenteuer des ägyptischen Grabes“

Fotocredit: Theater im Salon

Schon in ihrer Jugend unternahm Agatha Christie mit der Mutter Reisen in den Nahen Osten. Als sie 1930 den Archäologen Max Mallowan heiratete, vertiefte sie sich immer mehr in dieses Thema. Die Kurzgeschichte „Das Abenteuer des ägyptischen Grabes“ macht den Anfang einer Serie von Erzählungen, die im Orient spielen.

Ganz englischer Gentleman betritt Joseph Lorenz mit zwei Rosen in der Hand die Bühne, begrüßt die Gäste im „very British English“, legt eine Rose unter das Bild der Autorin und verneigt sich als galanter Rosenkavalier vor Maresa Hörbiger, der Initiatorin des „Agatha Christie Festivals“.

Geheimnisvolle Morde geschehen an der Ausgrabungsstätte des Pharao Men-her-Ra. Lady Willard, deren Mann eines der Opfer war, beuftragt Hercule Poirot mit der Aufklärung, was diesem natürlich bravourös gelingt.

Wenn Joseph Lorenz „liest“, dann ist das nie nur eine Lesung, sondern ein Spiel „en miniature“. Es ist pures Vergnügen mitzuerleben, wie er die Figur des Hercule Poirot herausarbeitet: Mit nur leicht französischem Akzent und einigen französischen Floskeln entsteht vor den Augen und Ohren des Publikums der „berühmte“ Poirot. Doch gleich darauf trübt Lorenz mit feiner Ironie den Glanz der Figur, wenn er ihn schwitzend und fluchend auf dem Kamel und zuletzt auf dem Esel durch die Wüste reiten lässt. Am Ende ist Poirot ganz der alte, der seine Leistung nie unter den Scheffel stellt: „Meine kleinen grauen Zellen funktionieren perfekt!“ Doch nicht nur Poirot bekommt durch Lorenz deutliche Facetten des Charakters, auch alle Nebenfiguren. Mühelos erarbeitet er den bewundernden Hastings heraus oder den bösen Arzt, der all diese Morde beging. Auch Lady Willard tritt mit weiblicher Würde auf. Das Publikum dankte mit viel Applaus für dieses spannende akustische „Figurentheater“.

Im ersten Teil las Anu Anjuli Sifkovits eine einleitende Erzählung zu „Mord im Pfarrhaus“.

Wie immer wurden -diesmal direkt im Salon an kleinen Tischen – delikates Fingerfood und Wein und Sekt von Schlumberger serviert.

Das „Agatha Christie Festival“ dauert noch bis 3. September.

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Kultursommer Semmering: Joseph Lorenz liest Schnitzler: Spiel im Morgengrauen

Genau dort, wo Arthur Schnitzler mit vielen anderen Künstlern die „Sommerfrische“ genoss, darf Kunst nach langer Absenz wieder stattfinden: Im verzauberten „Südbahnhotel“ am Semmering.

Joseph Lorenz las „Spiel im Morgengrauen“

Zuvor plauderte Florian Krumpöck, Initiator und Leiter dieses Kultursommers, mit Joseph Lorenz über das Theater heute. Wie sieht er die Theaterästhetik mit den zahlreichen Videoinstallationen und manchmal krampfhaft bemühten Modernisierungen alter Stoffe? „Man kann Stücke zu Tode modernisieren, dann langweilt sich das Publikum“, meinte der erfahrene Schauspieler. Wie wahr und vielen Zuhörern aus der Seele gesprochen! Aber – so Lorenz – nur texttreues Abfeiern ist auch fad. „Leichte Überforderung des Publikums ist notwendig, sonst schläft es ein.“ Gegen Ende des Gespräches kam Joseph Lorenz auf den Unterschied zwischen Autor und Dichter zu sprechen: Dichter wie Schnitzler, Hofmannsthal, Werfel oder Thomas Bernhard sehen tiefer in die menschliche Seele. Psychologische und gesellschaftliche Zusammenhänge werden genial in Literatur gegossen. „Nur solche Werke berühren uns“, meint Joseph Lorenz und bewies die These gleich darauf in seiner Lesung.

In der Novelle „Spiel im Morgengrauen“ geht es Schnitzler einmal mehr um Gesellschaftskritik: Leutnant Wilhelm Kasda trudelt ziellos durchs Leben. Der Waffenrock gibt ihm das Ansehen, das er als Zivilist per se nie genießen würde. Oberflächliche Kameraderie, kurze Affären, die auf ihr Potential als Mitgiftspenderinnen abgeklopft werden, Kartenspiel und Soupers – so sieht sein Alltag aus. Bis er von Willy Bogner, einem ehemaligen Kameraden, dringend um finanzielle Hilfe gebeten wird. Kasda, ein leidenschaftlicher, aber bisher vorsichtiger Spieler, hofft, die Summe im Kartenspiel zu gewinnen, was ihm auch gelingt. Dann aber fasst ihn die Gier, der Rausch. Er kann nicht aufhören. Und am Ende hat er 11.000 Gulden Schulden, die er nie zurückzahlen kann. Aber Spielschulden sind Ehrenschulden. Rettung erhofft er von Leopoldine, der jungen Frau seines Onkels, die er einmal nach einer Liebesnacht mit einem Geldschein zur professionellen Hure degradierte. Nach einer neuerlichen gemeinsamen Nacht legt nun sie ihm 1.000 Gulden als „Lohn“ auf den Tisch und gibt ihm dadurch zu verstehen, wie tief er sie damals verletzt hatte. Weil er die Spielschulden nicht begleichen kann, erschießt sich Wilhelm Kasda, nicht ohne Bogner vorher die 1.000 Gulden zukommen zu lassen.

Joseph Lorenz „temperiert“ den Text: Zu Beginn müssen die Fakten auf den Tisch. Nüchtern, ohne Pathos beschreibt er das Leben Kasdas. Langsam steigert er die Temperatur – bis zum ersten Höhepunkt: Das Kartenspiel gleicht einem Höhenrausch, einem wirren Traum, den Lorenz uns im Höllentempo erleben lässt. Dann fällt die Temperatur wieder ab, alles wird leiser. Bis zur Liebesnacht zwischen Kasda und Leopoldine. Schnitzler macht daraus eine Traumsequenz aus zarten Erinnerungen, jäh unterbrochen vom harten Erwachen in einer aussichtslosen Gegenwart. Gebannt folgt das Publikum bis zum ruhig und pathosfrei vorgetragenen Ende der Tragödie und erlebte einmal mehr den inneren Gleichklang zwischen Dichter und Interpret.

Langer, begeisterter Applaus. Danach konnte man noch ein wenig den Blick von der Terrasse auf die verwunschene Landschaft genießen und durch die verfallene Pracht dieses Jahrhundertwende- Hotels schlendern.

Die nächsten Schnitzler-Lorenz Abende im Südbahnhotel: 22. August „Traumnovelle“, am 23. August: „Spiel im Morgengrauen“.

Das ganze Programm unter:

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