Musikalische Leitung: Tugan Sokhiev, Inszenierung: Evgeny Titov, Bühne: Rufus Didwiszus, Kostüm: Annemarie Woods
EIN LICHT IM DUNKLEN (OPERN-)REGIETHEATER!!!
Ein Abend, der beglückt, von dem man schon lange träumte: Ein Abend, an dem alles zu einem Wunder zusammenwirkte: Tschaikowskis Musik, die innig ist, religiös im allerweltlichsten Sinne, aus einem tiefen Glauben an das göttliche Wirken aufsteigt und den Hörenden in der Seele trifft. Tugan Sokhiev, ein Dirigent, der diese Musik verinnerlicht hat und feinfühlig an das Publikum weitergibt. Endlich, endlich ein Regisseur, der dem Werk gegenüber mit Respekt und Einfühlsamkeit gegenübertritt und mit seiner ausgezeichneten Personenführung und einem Quentchen Humor das Märchen von der blinden Iolanta wahr werden lässt: EVGENY TITOV! Endlich, endlich kann man die Augen offen halten und die Szenerie genießen, denn Rufus Didwiszus hat ein märchenhafte Bühnenbild geschaffen, das einem Barock- oder Rokokobild entnommen sein könnte: Auf einem Felsenhügel ranken sich Rosen bis zu Spitze, wo Iolanta auf einem Bett schläft. Eingerahmt und überdacht wird die Szenerie von einem hohen Gewölbe aus alten Zeiten, das jederzeit zusammenbrechen kann – und es am Ende auch geschieht, aber darüber später. Dass die Sängerinnen und Sänger nicht in sogenannten zeitlosen Fetzen agieren müssen, sondern in zum Tableau passenden, aus jeder Zeit gefallenen „Roben“ spielen dürfen, das verdanken sie der Kostümbildnerin Annemarie Woods.
Und wenn dann alle, aber wirklich alle Rollen in Topbesetzung mit Topstimmen agieren, dann glaubt man schon an ein Wunder. Allen voran Sonya Voncheva als Iolanta. Ihr Sopran steigt mühelos in Höhen, liegt in der Mittellage sicher. Vor allem weiß sie dem blinden Mädchen Charakter zu verleihen – lässt spüren, dass es außrhalb ihres von der Welt abgeschottetem Lebens noch etwas gibt, das man ihr verbirgt. Berührend und ehrlich ihr Duett mit Robert, ihrem Ritter ohne Schwert und Pferd, sondern ein Alltagsmensch, der einfühlsam sie in die Welt des Lichtes und der Farben einführt: Tenor Boris Pinkhasovich. Leicht liegt ihm die Höhe, ebenso die tiefen, samtigen Töne. Ihm zur Seite, fast wie Sancho Pansa ängstlich und besorgt um seinen Freund: der Tenor Dmytro Popov als Vaudemont. Diese Rolle hat der Regisseur mit viel Humor aufgewertet – Vaudemont badet seine vom Wandern müden Füsse im Bach, seine geliebte Mathilde ist ein handfester Bursche in kurzen Hosen, der auf einem getöteten Stier dem staunenden Hofpersonal präsentiert wird. Der Bass Ivo Stanchev verleiht der schwierigen Rolle des Vaters die genau richtige Färbung zwischen Vaterliebe und despotischer Strenge. Alle Rollen, auch die kleinsten Nebenrollen, sind perfekt besetzt. Wenn am Ende der Chor Gott als Spender des Lichtes und des Lebens preist, dann hat das Gänsehauteffekt. Als mit allen Wassern gewaschener Regisseur weiß Evgeny Titov einen verblüffenden Überraschungseffekt am Ende einzubauen: Mit dem letzten Ton fällt die Kulisse des alten Gemäuers und dahinter ercheint unsere heutige Welt: grau, dunkel, zerstört. Das Märchen ist vorbei. Die Heutigen haben es zerstört.