Nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Mann. Bühnenbearbeitung: Georg Schmiedleitner und Sophie Püschel
Was braucht es für einen guten Theaterabend? Eine interessante Vorlage. Thomans Manns Roman enthält viel Witz, hinter der sich in hinterlistiger Manier eine gehörige Portion Gesellschaftskritik verbirgt. Das Duo Schmiedleitner und Püschel sorgte für eine kluge, mit viel Humor gepfefferte Bearbeitung für die Bühne. Jetzt braucht es nur noch ein spielfreudiges Ensemble – und das hat die Josefstadt ja in reichlichem Maße. Mit den sechs Schauspielern Claudius von Stolzmann, Roman Schmelzer, Susa Meyer, Silvia Meisterle, Martin Niedermair und Markus Kofler besetzt der Regisseur Folke Braband alle Figuren aus dem Roman – das ist grenzgenial! Er lässt alle sechs Schauspieler Felix und zugleich viele andere Figuren spielen. Dass diese Idee funktioniert, dafür sorgen die Kostüme und Schminke von Stephan Dietrich und vor allem die Schauspieler selbst, die in Blitzeseile von einer Rolle in die andere und von einem Kostüm in das andere wechseln.
Die Bühnenbearbeitung hält sich ziemlich genau an den Text von Thomas Mann. Manchmal meinte man, wörtliche Zitate oder ganze Passagen daraus zu hören. Es beginnt mit der Geburt des kleinen Felix – Susa Meyer gebiert als akrobatischen Akt diesen Tausendsassa, der schon als Kleinkind gerne König spielt. Claudius von Stolzmann mutiert problemlos vom Kind zum Jugendlichen bis hin zum zwanzigjährigen „Jüngling“, dem die Frauenherzen zufliegen. Großartig in den Frauenrollen Susa Meyer als Mutter, Madame Houpflé und Senhora Pia. Dass sie in Blitzesmanier auch Felix, einen Unteroffizier und Meister Jean-Pierre auf die Bühne bringt, ist eine bemerkenswerte lListung. Ebenso fasziniert Silvia Meisterle als Felix und dessen Schwester, gleich darauf als Sanitätsrat Düsing und Page, als junge Houpflé und grandios als naiv -greinende Eleanor. Die beiden Schauspielerinnen meistern die schwierig – komischen Rollen der liebestollen Frauen bravourös. Da gehts in manchen Szenen an die „Wäsche“ des Pagen Armand alias Felix Krull. Claudius von Stolzmann bringt den von Frauenliebe Verfolgten und Geplagten mit viel Witz und deutlicher Abneigung gegen das Liebesgeflüster und die Erotikphantasien seiner Verehrerinnen. Denn – so die Grundidee des Romans – ein Hochstapler liebt nur sich selbst, setzt seine Fähigkeiten klug gegen die reiche, verwöhnte Gesellschaft ein. Weiß hinterlistig Hoteldirektoren, schwule Adelige und liebestolle Frauen für sich einzunehmen. Mitleidlos nützt er deren Schwächen aus. Wenn er den Marquis de Venosta ( Markus Kofler glänzt in dieser Rolle!) oder Lord Kilmarnock -gespielt von Roman Schmelzer, der ebenso Felix` Vater, einen dümmlichen Stabsarzt, einen eitlen Rezeptionisten und den Vater der schönen Zouzou darstellt) um den Finger wickelt, aber in Distanz bleibt, dann stellt er sich am Ende die Frage: Wer bin ich? Bin ich Felix Krull oder einer dieser Figuren? Wer will, kann darin die Hauptaussage des Romans/ des Theaterabends sehen: Wir spielen alle viele Rollen in unserem Leben – wer sich dessen bewusst ist, ist klug genug und kann darin changieren, agieren, täuschen. So oder so ähnlich hat auch Arthur Schnitzler seine Gesellschaftskritik verstanden wissen wollen. Aber man muss nicht unbedingt die sozial-philosophische. Tiefe des Abends ausloten wollen. Es genügt, einfach zu genießen. Das tat das Publikum sichtbar und hörbar. Es dankte mit begeistertem Applaus.