Andrea De Carlo, Ein fast perfektes Wunder. Diogenes

Die Figuren aus der Showwelt, ihre fiesen Charaktere haben es Andrea De Carlo angetan. Ähnlich wie in dem furiosen Roman „Villa Metaphora“ geht es auch diesmal um die beiden Gegenwelten: Auf der einen Seite die schlichte, herzergreifende Gelateriabesitzerin Milena. Sie begegnet ungebremst dem irren Haufen der Bandgruppe „Bebonkers“ und ihrem verführerischen, charismatischen Leadsänger Nick. Der hat eine Riesenvilla, Security, Autos, Flugzeuge und eine zu Recht eifersüchtige Noch-nicht-Ehefrau, die gerade mit wütender Akribie die Hochzeit vobereitet. Doch Milena mit ihrem einmalig guten Eis funkt dazwischen. Und so geschieht ein fast perfektes Wunder: Der Star Nick verliebt sich in die „kleine Eisverkäuferin“ und sie sich in ihn. Das wäre der beste Bratenfond für einen Kitschroman – nicht so bei Andrea De Carlo. Durch seine punktgenaue Analyse der Fan- und Musikwelt, des Größenwahns und Irrsinns, der in dieser Welt herrscht, verflüchtigt sich der Kitsch auf gleich Null. Auch Milena wird nicht allzu sehr mit Romantik ausgestattet. Sie lebt in einer lesbischen Beziehung. Die beiden Frauen haben beschlossen, ein Kind zu bekommen. Milena soll es mittels künstlicher Befruchtung zur Welt bringen.

So die Fakten, als Nick und Milena wie zwei Meteore aufeinanderprallen. Das kann nur schrecklich enden! Meint man. Und tatsächlich fliegen die Vasen, die Beleidigungen durch die Räume der Villa. Der Show-down könnte nicht herrlicher sein. Kein Stein, keine Vase bleibt ganz. Körper wälzen sich auf dem Boden.  Doch leise, leise schleicht Nick aus dem Haus, leise, leise Milena aus ihrer Wohnung. Sie gehen wie Schlafwandler aufeinander zu. – Am Flughafen, wo natürlich das Flugzeug Nicks steht, treffen sie aufeinander. So viel Ironie schützt vor Kitsch. Aber dennoch genießt der Leser den Hauch von Romantik, der über dem Ende liegt. Die hauchdünne Nahtstelle zwischen Kitsch und Ironie weiß Andrea De Carlo genauestens zu orten und zu nutzen.