Brecht: Der gute Mensch von Sezuan. Landestheater Niederösterreich

Es regnet, es regnet – wer kauft bei der Wasserflut dem Wasserverkäufer noch Wang Wasserflaschen ab? In seiner Verzweiflung hofft er auf das Erscheinen der Götter, die in der Stadt Sezuan erwartet werden. Die sind auf der Suche nach einem guten Menschen – bisher überall erfolglos. Die Prostituierte Shen Te bietet ihnen eine Unterkunft an und bekommt für ihre gute Tat einen ordentlichen Batzen Geld. Den Laden und das Geld hat sie nicht lange, denn die Schmarotzer belagern sie zu Hauf. Sie gibt, bis sie bankrott ist, da kommt ihr die Idee, den Vetter Shui Ta zu erfinden, der sie durch seine Härte vor dem finanziellen Ruin kurzfristig rettet.. Bis der arbeitslose Flieger Yang Sun ihr die letzten Reserven mit einem windigen Heiratsversprechen herauslockt. Sie, die an seine Liebe glaubte, ist tief enttäuscht. Wieder soll ihr Vetter alles retten. Der zieht mit harten Mitteln eine Fabrik auf, wirft die Schmarotzer raus und macht Yang Sun zum Vorarbeiter, der die anderen nun schindet. Am Schluss soll ein Gericht der Götter entscheiden, ob Shen Te ein guter Mensch ist und Shui Ta verurteilt werden soll. Das Ende lässt Brecht offen.

Soweit die Story. Oder wie Brecht sagt: Die Parabel. Er schrieb sie zwischen 1938-40, zu einer Zeit, da die Arbeitslosigkeit schon viele Menschen in den Suizid getrieben hatte. Was als Text eher trocken und theorielastig daherkommt, haben der Regisseur Peter Wittenberg und das ganze Ensemble mit Leben und Aktualität erfüllt. Deutlich verknüpft Wittenberg die Probleme von damals mit heute: Wasser – Überflutung und Knappheit, ein Wirtschaftsfaktor für Firmen wie Cola, Nestle.Korruption, Schmarotzertum, Ausbeutung der Arbeiter, die Ausbeutung der „Guten“, die Frage, wie weit kann, darf man helfen. Das Versagen der Religion – die Götter sind nur mehr Witzfiguren, die sich unter der Erde verkriechen, wenn sie nicht weiter wissen.

Brechts Lehrstücke heute zu inszenieren ist nicht ganz leicht, die Gefahr des moralischen Zeigefingers ist stückimmanent. Dem entgeht das Ensemble : mit viel Witz und Körpereinsatz wird voll gespielt. So müssen die Schauspieler fast das ganze Stück im veritablen Regen und in Wasserlacken spielen – nicht sehr angenehm, aber sie ertragen es heroisch. Lili Epply ist eine bezaubernde Shen Te, die an die Liebe und an die Hilfsbereitschaft glaubt. Was sie ein wenig vermissen lässt, ist die Brutalität Shui Tas.  Vielleicht  mit Absicht – um zu zeigen, dass sie nur gezwungenermaßen den Vetter erfinden muss. Aber ein wenig mehr Brutalität im Spiel hätte der Problemstellung gut getan, um den krassen Gegensatz zwischen Mildtätigkeit und Versklavung herauszuarbeiten. Mit voller Charmeoffensive spielt Stefano Bernardin den schmierigen Flieger Yang Sun, Tim Breyvogel mit totalem Einsatz den Wasserverkäufer, die drei Götter sind von herzerfrischender Naivität, mit totaler Dummheit geschlagen. (Tobias Artner, Bettina Kerl, Tobias Vogt). Joesphine Bloeb als kaugummikauende und Hinterteil wackelnde Schmarotzerin ist umwerfend provokant. Durch eine offene Bühne mit einem einfachen Dach für den Tabakladen und dem dahinter liegenden Berg von Kleidung, aus dem sich die Schauspieler in Windeseile für die nächste Rolle ihr Kostüm heraussuchen, bekommt der Zuschauer das ganze Geschehen voll mit, es wird nie langweilig. Fazit: Eine gelungene Aufführung, die dem Brechtstück eine gehörige Vitaminspritze verabreicht, verstärkt durch die Musik von Paul Dessau in Bearbeitung von Paul Moshammer.

Ein gut gemachtes Programmheft zieht die Parallelen zur Gegenwart.

Infos unter: www.landestheater.net, Tel: 02742/90 80 80 600