Drago Jancar, Die Nacht, als ich sie sah. Aus dem Slowenischen übersetzt von Daniela Kocmut und KlausDetlef Olof. Folio Verlag

Der Titel klingt nach Liebesromanze. Der Roman handelt aber nur zum Teil von der Liebe. Im ersten Teil wird die Liebesgeschichte der schönen, verwöhnten Veronika, die in Ljubeljana mit einem Alligator herumspaziert, der aber dann getötet und ausgestopft werden muss, weil er ihren Ehemann in der Badewanne (sic) gebissen hat.
Was da so skurril und fast heiter-ironisch daherkommt, entwickelt sich zu einem der stärksten Romane über die Zeit, als der Zweite Weltkrieg fast schon zu Ende ging und in Slowenien ein wildes Durcheinander an Kämpfern herrschte. Da gab es noch die königstreuen Truppen des Königs Peter, der aber schon im sicheren Exil weilte. Dann die Deutschen, die die Tito-Partisanen und vermeintliche Kommunisten jagten. Dann jagten die Partisanen die Deutschen und meuchelten die so genannten Verräter an der Sache nieder. Keiner konnte mehr dem anderen trauen. So offen über die Situation knapp vor und nach dem Ende des 2. Weltkrieges in Slowenien hat noch kein Schriftsteller geschrieben. Geschickt knüpft er die Handlung rund um die charismatisch-schöne Veronika, Ehefrau des reichen und etwas zwielichtigen Leo Zarnik. Der junge Stivo, ein begeisterter Königstreuer, soll ihr das Reiten beibringen. Schnell werden die beiden ein Paar, sie verlässt ihren Mann und zieht mit Stivo ganz in den Süden, wohin er zur Strafe wegen dieser unstatthaften Beziehung abkommandiert wird. Doch lange bleibt sie nicht. Schlamm, Hunger und tödliche Langeweile lässt sie wieder zu ihrem Mann zurückkehren, der inzwischen eine Burg gekauft hat. Dort halten die beiden nun Hof. Heißt: Trotz Krieg geben sie Feste, laden Gäste ein, darunter auch Deutsche. Ihr Mann untertützt heimlich die Partisanen, hält aber gute Geschäftsbeziehungen zu den Deutschen, was dem Ehepaar letztendlich zum Verhängnis wird: Ein Arbeiter aus dem Dorf, der auch auf der Burg arbeitet und sich in die schöne veronika verliebt hat, denunziert sie aus verletzter Eitelkeit. Die beiden werden grausam gefoltert und Veronika von der ganzen Truppe vergewaltigt, bevor sie stirbt.
Es ist ein Roman, der von dem Leiden berichtet, das alle Menschen, egal zu welcher Schicht, politischen Partei oder Nation sie gehörten, heimsucht, von der Reue über blutige Taten, die aus blinder Wut und Parteigehorsam geschehen sind und nicht wieder gut zu machen sind. Mit einfühlsamer Sprache ohne Künstlichkeit weiß Drago Jancar den Leser in den Bann zu ziehen.
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