Grafenegg: „Stimmungsbilder“ – Dimitri Schostakowitsch und Antonin Dvorak. European Youth Orchestra. Dirigent: Vasily Petrenko

Dimitri Schostakowitsch: Konzert für Violoncello und Orchester, Nr.1 Es-Dur op. 107 (1959).

Violoncello: Pablo Ferrández

Ein fast bedrohlich graues Licht, Regen und Kälte vertrieben die Lust auf Musik im Wolkenturm. Obwohl genau diese Stimmung perfekt zu Schostakowitsch` extrem fordernder und seelisch mitreißender Musik gepasst hätte, war man froh, sie in der Ruhe des Auditoriums hören zu dürfen und nicht noch zusätzlich von Wetterkapriolen bedroht zu sein !

Als Schostakowitsch das Violinkonzert komponierte, litt er bereits unter der unheilbaren Rückenmarksentzündung. Unter großen Schmerzen schrieb er mit der linken Hand die Noten. Er komponierte eine Art Rückschau auf sein Leben, das von Extremen geprägt war: Von Verboten, Verhöhnung und Straflager bedroht, dann wieder gnädig von Stalin gelobt, war Musik seine Lebensrettung: „Warten auf die Exekution ist eines der Themen, die mich mein Leben hindurch gemartert haben…Viele Seiten meiner Musik sprechen davon.“ (Zitiert aus dem klugen und einfühlsamen Kommentar von Wolfgang Stähr, im Programmheft S12) Das Konzert für Violoncello und Orchester macht diese enorme seelische Belastung deutlich hörbar. Es beginnt eher leicht tänzerisch – aber das ist nur ein kurze Ruhe vor dem Sturm, bevor Orchester und Cello zu einem Seelensturm ansetzen.

©Sion Violon Musique

Pablo Ferrández spielt das Stradivarius Violoncello „Archinto“ aus 1680, eine lebenslage Lehgabe eines Mitglieds der Stretton Gesellschaft. Und man spürt schon nach den ersten Bogenstrichen: Hier spielt ein ganz großer Meister, Mit dem Instrument zu einem Körper verschmolzen, holt Ferrández aus dem edlen Klangkörper die Klage eines Menschen über sein leidvolles Leben heraus. Man hat das Moderato wohl noch selten so intensiv erlebt – die Töne klagen, schreien, beruhigen sich, um sich gleich wieder neu aufzubäumen. Der junge Maestro verschmilzt tief mit dieser leidvollen Musik, und Vasily Petrenko lenkt die engagierten Musiker des Orchesters zu Höchstleistungen. Das Publikum atmet diese tragische Musik mit, erwacht am Ende wie aus einer tiefen Trance. Großer Jubel für alle, besonders aber für Pablo Ferrández, der sich mit dem zärtlichen Idyll von Pablo Casals „Song of the birds“ für den begeisterten Applaus bedank

Antonin Dvorák: Symphonie Nr.8 G-Dur op. 88 (1889)

Einen größeren Kontrast in der musikalischen Stimmungslage kann man sich schwer vorstellen: Schostakowitsch aufwühlend, Dvorák heiter, tänzerisch. Wolfgang Stähr begründet und benennt die Wahl: Die Hölle und das Paradies. (S12 im Programmheft).

Lang musste Dvorák auf Erfolge warten, bis dann endlich ab 1877 Stipendien und ein Staatspreis ihn von der finanziellen Not erlösten. Er konnte sich sogar 1884 ein kleines Landhaus in Südböhmen leisten. Dort komponierte er, umgeben von Waldesrauschen und Vogelsang, die 8. Symphonie, eine Musik des puren Glücksgefühl. Alles, was glücklich macht, hat er voller Zuversicht hineinkomponiert: sanfte Celli, feierliche Choräle, liebliche Flötentöne. Genuss pur! Und so dirigiert auch Petrenko die jungen Musiker: Voller Elan, oft mit humorvollen Gesten und Grimassen, tänzerisch leichtfüßig aufspringend. Das Pblikum war begeistert und bekam als Dank noch drei Zugaben: J. Strauss, Seid umschlungen, Millionen, A. Katschaturian, Suite Nr.1 und J. Texidor, Amparito Roca. Bei dem letzten Musikstück verlässt Petrenko das Pult, schlägt im Hintergrund das Tamburin und die Musiker spielen tanzend und lachend weiter. Die Stimmung erinnert an El Sistema, diese junge, energiegeladene Gruppe aus Venezuela.

Was für ein berauschender, spannender Abend!!!

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