Ludwig II. nach dem Film von Luchino Visconti. Akademietheater

Was für ein Abend! Man geht berauscht, verwirrt und seltsam gefesselt von so einer überwältigenden Bilderflut aus dem Theater. Und versucht sich an verschiedenen Interpretationen. Mein Rat: Gehen Sie nicht allein zu diesem Theaterabend, denn dann haben Sie nachher niemanden, mit dem sie darüber diskutieren können. Und Diskussion, Überlegung braucht es danach unbedingt. Am besten wäre, man geht mit jemandem, der den Film von Visconti noch  im Detail präsent hat. Denn das braucht es, sonst ist man bei manchen Szenen verloren.

Zuerst einmal zu dem faszinierenden Bühnenbild (Peter Baur), das zwischen „Kitsch und Kühle“ (Zitat aus dem Dialog zwischen Ludwig und Elisabeth) oszilliert, mit Zitaten aus dem Film selbst,  Anspielungen aus dem Manierismus und den Präraffaeliten und der Postmoderne spielt und arbeitet: Die drei Hauptfiguren – Markus Meyer als Ludwig II, Regina Fritsch als Kaiserin Elisabeth und Johann Adam Oest als Wagner – sind alle in ätherisch-unwirkliches Weiß gekleidet, Ludwig und Elisabeth ziehen  als Zeichen ihrer imperialen Würde eine lange Schleppe hinterher. In einem riesigen Spiegel über ihnen spiegeln sich die Figuren zu einem TAbleau aus den eben genannten Perioden der Kunstgeschichte. Das wäre die erste und klarste Spielebene. Gemeisnam mit Peter Baur  und Jonas Link (Video) geht der Regisseur Bastian Kraft noch eine Stufe weiter in eine Art Metaebene, in der auf dem Videoschirm die realen Personen des Bühnengeschehens mit Ludwig verschmelzen. Diese multiperspektivische Regietechnik hat Bastian Kraft schon bei seiner „Dorian Grey“- Fassung – ebenfalls mit Markus Meyer mit ERfolg angewendet. Ludwig sieht sich gleichsam selbst in diesen Figuren zu, sieht seine eigenen Fantasien auf der Videowall. Und sieht, wie sich sein Bild in das Bild im Film verwandelt. Diesem Verwirrspiel ist der Zuschauer ausgesetzt und verfolgt mit Spannung, was mit Ludwig in den verschiedenen Spielebenen passiert und was gleichzeitig mit ihm selbst als Zuschauer passiert. Er spürt sich einer medialen Reizüberflutung ausgesetzt, die vom Regisseur so beabsichtigt ist. Verwirrung allseits – in Luswig, in den Figuren, bei den Zusehern. Das Bild entfaltet seine Macht. Und wir entkommen ihm nicht. Einige Ideen in der Inszenierung erweisen sich als Mätzchen, etwa die tintenschwarzen Flecken auf den Kleidern Ludwigs und Elisabeths. Oder die Blendung der Zuseher durch Spiegel. Dahinter sehe ich keinen Sinn.

Wer sich dem Geschehen voll aussetzen will und kann, der wird einen faszinierenden Theaterabend erleben! Fast vergaß ich die überragende Leistung von Markus Meyer hervorzuheben. Er ist Ludwig auf der Bühne, ist Ludwig im Film, ist Sophie, Bülow, Frau von Bülow, Wagner und all die anderen Figuren im Film Viscontis. Wenn am Schluss diese Figuren ihre Schminke abziehen, kommt darunter das nackte Gesicht Meyers hervor. Und nackt ist er auch als Ludwig. Als er als Herrscher und Mesnch am Ende ist, sich seiner Kleider entledigt und hofft, noch Halt auf seiner eigenen Statue zu finden. Wie ein armer Ertrinkender klammert er sich an sie, sieht ein, es gibt für ihn kein Leben mehr und verschwindet im dunklen Loch des Sees. Auf dem Flatscreen spiegeln sich der nackte Ludwig und die ersten zehn Reihen der Zuseher. Wir  -die Zuseher – sehen gelassen dem Medienereignis zu: Ein König scheitert und ertränkt sich.