Manfred Koch gelingt es, den Dichter Rilke und seine Dichtung mit dem Menschen „Rilke“ und mit der Welt, in der er lebte, im Zusammenhang zu erfassen. Das gleicht wohl einer Mammutaufgabe. Denn Rilkes Dichtung ist Rätsel, das zu interpretieren nicht einfach ist. Sein Leben war so kompliziert wie sein Werk. Man muss schon tiefes Verständnis für das Untergründige, für die Kompliziertheit und die Verschlossenheit dieses Lebens aufbringen. Und das beweist Manfred Koch mit jeder Zeile.
Manfred Koch hebt als wichtigste Komponente in Rilkes Werk und Leben die Angst hervor: Angst vor der Schreibhemmung, Angst vor allzu großer Nähe -vor allem zu den Frauen -. Angst um seine geistige und körperliche Gesundheit und nicht zuletzt auch die ganz triviale Angst vor der Organisation des täglichen Lebens. Und vor allem : Angst, dass er diese Angst eines Tagess verlieren und sich auf die Bequemlichkeit eines bürgerlichen Lebens einlassen könnte. Mit hoher Sprachsensibilität spürt Manfred Koch dieser Ambivalenz der Angst nach: Rilke braucht sie als Antrieb für seine Dichtung, sie macht ihn dünnhäutig, er braucht die Frauen, er liebt es, sich zu verlieben. Aber er weist sie von sich, sobald sie Nähe einfordern. Er lässt sich nicht vereinnahmen, auch nicht von Kunstströmungen. Auch nicht von der Versuchung, sich einer Analyse zu unterziehen, die ihm die Angst mildern oder nehmen könnte. Klarsichtig weiß er um die Notwendigkeit, mit ihr und von ihr zu leben.
Manfred Koch verherrlicht nicht, macht Rilke nicht zum Dichterheroen, wie es viele damals und auch noch heute tun. Er analysiert, versteht, versucht auch die dunkle Seite Rilkes zu erhellen und verständlich zu machen. Fazit: Die Biografie ist ein wertvoller Wegweiser für alle, die sich über eine romantische Schwärmerei hinausgehend für Rilke interessieren.