Salvatore Settis: Wenn Venedig stirbt. Streitschrift gegen den Ausverkauf der Städte. Aus dem Italienischen: Victoria Lorini. Wagenbach Verlag

Man kennt die Argumente, die Salvatore Settis vorbringt. Aber wenn man sie alle, akribisch und wissenschaftlich und empirisch gut dargelegt, Wort für Wort zu lesen bekommt, dann wundert man sich, warum niemand etwas gegen diesen Ausverkauf Venedigs und anderer Städte tut. Die Politik geht vor dem gierigen Markt in die Knie. Das ist beschämend und macht hoffnungslos. Dass jede historische Stadt eine Seele hat, die sie an Tourismus- und Bauindustrie ungeschaut und ungestraft verkauft, ist eine Tatsache, deren sich zwar Bürgermeister und Konsorten bewusst sind, die ihnen aber herzlichst egal ist. Mit „Seele“ kann man kein Geld verdienen, meinen sie. Und vergessen, dass eine von Touristen und Spekulanten zu Tode gebrachte Stadt eines Tages nichts mehr einbringen wird. Weil inzwischen schon Reproduktionen dem Original die Show gestohlen haben. Mit Schaudern liest man von den „Projekten, Venedig zu retten“, die da sind: ein künstliches Venedig – Art Disneylandvenedig – gleich vor den Toren Venedigs hinzustellen oder gigantische Türme, die den Markusdom weit an Höhe überragen, im letzten noch genützten Ackerland oder auf den Inseln in der Lagune zu bauen. Wer schon einmal erlebt hat, wie so ein Riesenkreuzfahrtschiff fast direkt vor den Markusplatz ankert, der weiß, wovon der Autor warnt. Obwohl jeder Politiker um die Gefahr weiß, die solche Schiffe für Venedig bedeuten, ist noch immer diesem verbrecherischen Business kein Riegel vorgeschoben worden.
Jeder, der Venedig liebt, jeder, der sich über den Ausverkauf der Städte Gedanken macht, sollte dieses Buch lesen. Vor allem sollte es den Politikern, Baulöwen und Architekten als Pflichtlektüre verordnet werden. Es gibt genug Architekten, die tatsächlich fordern, Venedig müsse „modernisiert“ werden, indem man neue Architektur mitten in die Palazzi stellt. Ihnen ist jede Altstadt nur Spielwiese für ihre eigene Verwirklichung.