Sergej Prokofjew: Die Verlobung im Kloster. Theater an der Wien

Vorlage: Richard Brinsley Sheridan „The Duenna“ – englische Komödie. Prokofjew und Mira Mendelson: Übersetzung und Bearbeitung.1941 komponiert, nach Ende des 2. Weltkrieges uraufgeführt.

Man traut seinen Ohren und Augen kaum: Diese Musik stammt aus der Feder Prokfjews? In der Inszenierung von Damiano Michieletto und unter dem rasant-pfiffigen und dann wieder sehr romantischen Dirigat des jungen Russen Dmitry Matvienko entfaltete sich ein Ohren- und Augenschmaus der Sonderklasse. Man bediente sich aller Slapsticktricks und szenischer Übertreibungen aus der Opera buffa und Comedia dell´arte, aber immer mit Augenzwinkern. Michieletto drückte im richtigen Augenblick die Stoptaste, bevor die Szene peinlich wurde. Durch seine präszise Personenführung gelang ihm eine haarfeine Charakterisierung der Personen, die über das Schema einer Opera buffa weit hinausgeht. Auch die zur Zeit Prokofjews fast als Pflichtübung verlangten Tanz- und Ballettszenen wurden sehr zum Vergnügen des Publikums schräg überdreht, dass sie ins Absurde abtrifteten und jeder Peinlichkeit bar waren. Höhepunkt solcher Szenen – natürlich die Massenbesäufnis im Männerkloster! Da greifen Prokofjew und Michieletto tief in die satirische Kiste der Unverschämtheiten: Unter ihren Kutten tragen die Mönche Strapse, leben ihre erotischen Vorlieben ungeniert aus. schnappen sich Geld, Bier, Nonnen und los geht die Orgie. Wie Satansabkömmlinge wirken ihre tanzenden Riesenschatten an den Wänden.

Worum geht es überhaupt? – Schlicht und einfach um das Scheitern zweier alter Gierhälse. Mendoza hat das Geld durch den Fischhandel, Don Jerome eine hübsche Tochter. Der nach Fisch stinkende Mendoza will die schöne, junge Tocher, Jerome das Geld und die Macht. Also: tut man Tochter und Geld zusammen, hat man das Monopol – in dem Fall im Fischhandel. Ist ja heute auch nicht anders: Zwei Große, Mächtige tun sich zusammen und schon haben sie die kleinen Fische geschluckt, über bleibt ein Riesenfisch. Doch die Intrige scheitert, was bleibt über? – Ein abgenagter Fisch. Monopol pfutsch, dafür haben sich die beiden Liebespaare gefunden. Das wäre so in groben Zügen die Handlung, die durch Kleidertausch und Liebesirrtümern noch heftig aufgemotzt wird. Dass da ein üppiges Bühnenbild leicht zu viel werden könnte, hat Paolo Fantin erkannt und ein überaus schlichtes „Raumgefühl“ durch einfache Linien und absenkbare Versatzteile entworfen. Die Kostüme von Klaus Bruns charakterisieren die Personen treffend, ohne zu übertreiben.

Die angenehme Überraschung: Das ganze Ensemble liefert stimmlich und schauspielerische Glanzleistungen! Allen voran die beiden Alten: Evgeny Akimov ist ein Erzkomödiant, genießt jeden musikalischen und schauspielerischen Spaß. Mit seiner zum Bariton neigenden Stimmlage ist er in den unteren Lagen genau so firm, wie im Tenorbereich. Als Fischhändler und blind Verliebter ist der Bass Valery Gilmanov der perfekte „Dumme“, der am Ende die Anstandsdame Duenna statt der jungen Luisa versehentlich heiratet. Elena Maimova ist in der Rolle der „alten Anstandsdame“ umwerfend bis zur Selbstverleugnung!! Als Luisa glänzt Stacey Alleaume, die Rolle der zickigen Clara füllt Anna Goryachova gut aus. Peter Sokolov ist ein unglücklich Verliebter Don Ferdinand, und Vladimir Dmitruk ein kreuzbraver Geliebter Luisas. Eine äußerst interesante Nebenrolle füllt Zoltan Nagy aus. Als deprimierter Begleiter und Freund Mendozas kommentiert er mit seinem ausdrucksvollen Bass die überspitzen und überdrehten Szenen, wodurch er eine Art Notbremse zieht, bevor das Spiel und die Musik in den Wahnsinn kippt. Apropos Musik – Prokofjew komponiert hier stich- und haargenau auf das Wort und die Aktion hin, als würde er Filmszenen untermalen. Bewundernswert führt Dmitry Marvienko das ORF Radio-Symphonieorchester und den wie immer klangvollen Arnold Schönberg Chor durch diese eigenwillige Musik!

Viel Jubel und Beifall!

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