Vincenzo Bellini, Norma. Theater an der Wien

Libretto: Felice Romani. Uraufführung: Dezember 1831.

Gesehen wurde die 2. Vorstellung im Theater an der Wien am 19. Februar.

Musikalische Leitung: Francesco Lanzilotta. Regie: Vasily Barkhatov. Bühnenbild: Zinovy Margolin

Man spürte schon beim Eintreten in das frisch renovierte Haus die Vorfreude und Erregung des Publikums. Endlich wieder „Theaterfeeling“ im neuen, alten Haus. Im „Himmel“, wie das großzügig und architektonisch raffinierte Pausenfoyer nun genannt wird, klirrten die Sektgläser. Die Stimmung kochte hoch, wie selten vor einem Theaterabend..

Wer die „Norma“ schon einmal im Original erlebt hatte, der verabschiedete sich am besten sofort von seinen Vorstellungen und Bildern im Kopf. Da ringt keine von allen verehrte Druidenpriesterin um Fassung, da singt keine Dienerin der Mondgöttin das Gebet „casta diva“, sondern eine rebellische, im Kampf trainierte Vorarbeiterin einer Keramikfabrik. Der russische Regisseur Vasily Barkhatov hat die Oper in eine nicht näher bestimmte Zeit unter einem Diktator wie Hitler oder Stalin versetzt. In einer Keramikfabrik, wo früher Heiligenfiguren erzeugt wurden, produziert man nun Hunderte von Köpfen des Diktators. Und in dieser Halle singt Asmik Gregorian die ikonische Arie „Casta diva“ – berückend klar in Stimme und Timbre, aber mit deutlich spürbarer innerer Abwesenheit. Denn sie sah gerade Pollione, den Boss der neuen Besatzung, vorbeigehen. Er ist ihr und ihres Volkes Feind und ihr Liebhaber. Spannung pur. Dass Fabrikshalle und Vorarbeiterin mit der Idee eines heiligen Ortes und einer Priesterin sich nicht vereinen lasssen, nimmt der Regisseur in Kauf. Wie er auch nicht vor komischen und absurden Situationen zurückschreckt.

Hatte man einmal den Schalter umgelegt und sich mit der neuen „Norma“ arrangiert, dann konnte man Musik und Gesang auf allerhöchstem Niveau und vor allem die schauspielerischen Leistungen genießen. Das leidgewohnte Opernpublikum kann das!

Norma kämpft. Gegen ihr Gewissen, das sie bedrückt. Sie hat den Eid der ewigen Jungfräulichkeit gebrochen und sich ausgerechnet in den Besatzerchef Pollione (Freddie de Tommaso) verliebt und mit ihm zwei Kinder, die sie (wie soll da gehen?) vor der Welt geheim halten muss. Die Spannung wird unerträglich, als sie von Adalgisa ( Aigu Akhmetshina), ihrer engen Vertrauten und ebenfalls Dienerin der Mondgöttin, erfährt, dass diese mit Pollione nach Rom abhauen will. Nun ist Asmik Gregorian in ihrem Element! Es dauert, bis sie in Betriebstemperatur aufläuft. Dann aber kocht sie auf – mit einer Stimme, die es wagt, weit über den Schöngesang hinauszuschreien – ihren Hass auf Pollione, ihre Enttäuschung über den doppelten Betrug. Das sind Szenen einer klassischen Dreiecksgeschichte. Banal, aber wuchtig. Da rast und kämpft eine zutiefst verletzte Frau um die Liebe eines Mannes, der all diesen Aufruhr, Zorn, Rachegefühle eigentlich gar nicht verdient. Als die Leidenschaft der ersten Zeit sich gelegt hatte, buhlte er erfolgreich um eine Jüngere. Das macht Norma zu einer Furie, die streitet, zürnt wie in einer französische Dreiecksgeschichte. Dazu kontrastiert der sanfte Mezzosopran von Adalgisa, die ehrlich bereut. Und Pollione – er hat seinen Donnertenor, mit dem er zu Beginn beeindruckte, verloren. Ist hilflos. Logisch ist deshalb auch der Schluss: Statt dass Pollione stirbt und Norma den Tod im Feuer sucht, zerrt er sie aus den Flammen heraus und sie sinken sich nach dem dramatischen Streit erschöpft in die Arme. Dass das Publikum vor Begeisterung tobte, war klar. Denn wann schon erlebte man auf der Opernbühne eine so dichte Geschichte, in der die Gottesdienerin zur Furie wird! Asmik Gregorian kann das perfekt. Ihre Stimme ist das Instrument, das all diese Gefühle ausdrückt. Dass sie und Adalgisa diesen fiesen Pollione lieben, ist nicht wrklich einzusehen. Freddie de Tommaso hat das richtige Stimmvolumen eines Tenors, um den Macho herauszukehren, aber auch die Fähigkeit, klein und erbärmlich zu wirken. Aigul Akhmetshina bezaubert mit ihrem sanften Mezzo. Zu dem Erfolgstrio passt auch der timmgewaltige Schönberg Chor. Francesco Lanzilotta dirigierte die Wiener Symphoniker mit viel Gefühl für das Belcanto.

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