Volksoper Wien: Musical Anatevka (Fiddler on the Roof)

Buch: Joseph Stein, Musik: Jerry Bock, Gesangstexte: Sheldon Hamick. Foto: Cornelius Obonya als Tevje, der Milchmann

Gesehen wurde die 103. Vorstellung seit der Wiederaufnahme Februar 2023. Leider ist es aber dann bald vorbei – nur einige wenige Abende sind noch vorgesehen. Dass jede Vorstellung bisher ausverkauft war, spricht für die Qualität dieses außergewöhnlichen Musicals und für den Geschmack des Publikums. Denn es weiß offensichtlich dieses von jeglichem Regiewahn unberührte Theater zu schätzen. Ganz zu schweigen von der mitreißenden Musik und dem exzellenten Ensemble. Wenn dann noch ein so bekannter Schauspieler wie Cornelius Obonya den Tevje spielt, singt und tanzt, dann ist es für viele ein Grund, das Musical ein zweites, vielleicht sogar ein drittes Mal zu sehen. Denn „Anatevka“ berührt und geht in die Seele. Da braucht es keine rigiden Parallelverweise auf die Gegenwart. Die ergeben sich ganz selbstverständlich.

Anatevka ist eines der vielen jüdischen Stetls im weiten Russland. Man pflegt die Tradition, ist mit humorvoller Distanz gläubig. Und so manch einer träumt davon, reich zu werden., ganz besonders Tevje, der Milchmann. Hat er doch fünf Töchter, drei davon im heiratsfähigen Alter. Die Tradition will es, dass die Ehen von der Heiratsvermittlerin Jente (humorvoll Martina Dorak) gestiftet und vom Vater abgesegnet werden müssen. Das ist so Tradition. Doch alle drei suchen sich ihren Bräutigam selbst aus, und Tevje muss klein beigeben. Vaterliebe siegt über Tradition. Cornelius Obonya ist rein körperlich ein anderer Tevje als Dominique Horwitz Letzterer war ein schmächtiger Milchmann, der an seinen vollen Milchkannen schwer schleppte, mit dem man mitlitt (s. unten Link zur Kritik vom 16. Oktober 2023). Obonya ist ein „gtandener“, von sich selbst sehr überzeugter Ehemann und Vater, der mit Gott ganz schön selbstsicher verhandelt. Dadurch bekommt das Stück einen etwas anderen Charakter – die humorvollen Szenen werden kräftiger, überdecken die zarten, leisen Töne, wie sie Domnique Horwitz der Rolle angedeihen ließ.. Insgesamt wirken alle Bewohner robuster, auch als sie ihre Heimat verlassen müssen. Sie sind gewappnet, sie machen Pläne. Es ist in ihre Wesenheit eingeschrieben, dass sie immer wieder weiterzeihen müssen. Deshalb fügen sie sich.

In den ärmlichen Häusern entlang der Dorfstraße, die ins Nichts führt, leben sie ein bescheidenesLeben, lachen, streiten, feiern. Bühnenbild (Matthias Fischer – Dieskau) und Regie (Matthias Davids) sind Gott seii Dank unverändert. Auch das Ensemble.ist bis auf einige kleine Änderungen gleich geblieben. Chor, Ensemble und die großartigen Tänzer des Wiener Staatsballetts sind eine unzerstörbare Einheit. Die Stimmen sind durchwegs sehr gut. Neu ist der Dirigent Lorenz C. Aichner, der das Orchester der Wiener Staatsoper mit viel Gespür für humorvolle, aber auch leise Töne lenkt. Insgesamt eine Aufführung, die ihre Qualität noch viele Jahre halten wird und hoffentlich irgendwann wieder zu sehen sein wird.

Das Publikum dankte mit begeistertem Applaus.

http://www.volksoper.at und

http://www.silviamatras-reisen.at/volksoper-wien-anatevka-fiddler-on-the-roof/ Meine Kritik vom 16. Oktober 2023