Winterreise – eine Reise in die Tiefen der Existenz

Einer der Höhepunkte der Wiener Festwochen war Franz Schuberts Winterreise mit Markus Hinterhäuser am Klavier und Matthias Goerne als Liedinterpret . Dazu verfilmete Zeichnungen von William Kentridge.

Die Kombination – Gesang und Video – gab es immer wieder, aber die Versuche liefen ins Leere. Meiner Meinung auch hier. Ganz einfach, weil gerade die Winterreise eine so starke, existentielle Aussage provoziert, dass der Zuhörer damit genug beschäftigt ist, seine inneren Bilder zu koordinieren. Außerdem war Goernes Interpretation so intensiv, dass Bilder, wären sie auch noch so interessant gewesen, nur störten. Ich habe, um die Lieder voll in mich aufzunehmen, versucht, nicht auf die Videos zu sehen -was natürlich fast unmöglich war. Wenn ich hinsah, hatte ich genug mit der Deutung zu tun. Es ist schon klar, dass Kentridge mit seinen gezeichneten Filmen die konservative, all zu vordergründige  Deutung der Winterreise brechen will. Aber ich wollte nicht wissen, wie und warum er gerade diese oder jene Bilder mit diesem oder jenem Lied verknüpft und spürte heftige Abwehr in mir, was mich wiederum von der Musik wegholte.

Während wir auf den Beginn warteten, durften wir uns den Kopf über die Pinwand des Künstlers zerbrechen. Papier, zerrissen, Entwürfe weg -geworfen, ver-worfen, Veruche, sich in der Musik zu orten? Fotos verblasst und verblasen. Alles ist Scheitern, künstlerisch und existentiell. Dann das erste Lied – Gute Nacht. Ein Baum, den der Wind entblättert. Manche Bilder waren überbordend, manche ließen mich ratlos werden, so etwa die Schnüre, die sich während des Liedes „Der Lindenbaum“ von den Ästen lösen, als hätte sich gerade jemand erhängt. Ganz ärgerlich fand ich die Bilder zum Lied „Wasserflut“ – da zeichnete Kendrige eine Dusche, einen Messbecher und immer wieder eine Kaffeetasse.

Ein Abend, der trotz der Videos in die Tiefe ging. Das lag vor allem an den beiden Interpreten: Hinterhäuser, der seine Begleitung feinfühlig zu dosieren wusste, Goerne, dessen Einsatz bis ans Äußerste seiner Kräfte ging. Eine besseren Interpreten der Winterreise gibt es zur Zeit sicher nicht.