Daniel Glattauer: Vier Stern Stunden. Kammerspiele

Natürlich denkt man sofort an Schnitzlers „Reigen“, insbesondere an die Szene „Das süße Mädel und der Dichter“. Glattauer dreht jedoch die Verhältnisse um: Das süße Mädel ist gar nicht süß. Martina Ebm als Lisa ist frech, selbstbewusst, vor allem jung und heizt dem um Jahrzehnte älteren und arroganten Dichter Frederic Trömerbusch (August Zirner) ganz ordentlich ein, reduziert seinen männlichen Stolz auf Null, empfiehlt ihm Viagra, gibt ihm zu verstehen, dass sie von seinen Romanen ebenso wenig hält wie von seiner Männlichkeit. In dieser Schlüsselszene zeigen beide ihr Können: Ohne ins Klischee des abgehalfterten Dichters und Mannes allzu sehr abzugleiten, lässt August Zirner die Verletzlichkeit spüren, die in dem großen  „Dichterfürsten“ liegt. Martina Ebm ist ehrlich, brutal -offen und fast unsympathisch in ihrer aufdringlichen Jugendlichkeit. Glattauer spielt hier gekonnt mit dem Klischee „älterer Mann“ und „junge Frau“. 

Klischees aufzudecken, sie vordergründig zu bedienen und zugleich zu demaskieren, ist ja Glattauers Stärke. Er lässt das Stück in einem ehemaligen Luxushotel, das seine Glanzzeit schon lange hinter sich gelassen hat, spielen. Fauteuils, Betten aus den frühen 60er Jahren, eine verblasste Tapete füllen die Bühne (Ece Anisoglou). Der verzweifelte Erbe dieses schäbigen Hotels mit dem bezeichnenden Namen David-Christian  Reichenshoffer  (Dominic Oley) – er hofft vergeblich auf reiche Gäste -möchte mit  Lesungen und Interviews bekannter Persönlichkeiten ein kulturaffines Publikum anlocken. Susa Meyer als supergut vorbereitete und in Anbetung erstarrende Interviewerin und August Zirner als gelangweilter „großer Dichter“ sind das Paradebeispiel für Interviews der langweiligsten Art, wie man sie aus „Gesprächsrunden mit wichtigen Persönlichkeiten“ aus Radio oder Fernsehen kennt. Alles geht schief, der Dichter boykottiert die Fragen der allzu peniblen Moderatorin, der Hotelbesitzer erkennt, dass mit den „Sternstunden“, wie er die Gespräche nennt, keine Gäste anzulocken sind. „Ich habe ein Kulturhotel und keine Kultur“ – mit dieser Erkenntnis kündigt er seiner glücklosen Moderatorin.

Daniel Glattauer hat wieder einmal dem Hang nach einem positiven Schluss nachgegeben und lässt die beiden Verzweifelten, den gerade von seiner jungen Geliebten geschassten Dichter, und die arbeitslose Moderatorin zusammenfinden. Die energiegeladene Lisa angelt sich den gescheiterten Hotelier. So ein Schluss verlangt von den Schauspielern eine gehörige Portion Ironie, um sie aus dem Griff des all zu Platten zu befreien. Das Quartett schafft das locker, professionell unterstütz vom Regisseur Michael Kreihsl.

Man schmunzelt, lacht, erkennt eigene Eitelkeiten und die unserer Gesellschaft. Perfekt, vielleicht ein wenig zu glatt-perfekt. Unterhaltsam allemal.

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