Elena Ferrante, Die Geschichte eines neuen Namens. Aus dem Italienischen von Karin Krieger. Suhrkamp

Sie hat es wieder getan! Elena Ferrante hat uns mit dem 2. Band ihrer „Neapolitanischen Saga“, wie sie ihr Werk selbst nennt, wieder völlig in den Bann geschlagen. Lila hat geheiratet, von allen wegen ihres „Reichtums“ beneidet, zieht mit ihrem Ehemann Stefano in ihre blitzblanke neue Wohnung ein und schon beginnt der Kampf zwischen ihr und ihrem Mann. Sie ist – wie immer – die Überlegene. Lenu – die Icherzählerin beneidet ihre Freundin um diesen „Aufstieg“. Wie die Jugendjahre zwischen 17 und 24 sich entwickeln, ist spannend, lässt an eigene Kämpfe in der Jugendzeit erinnern.

Der Rione ist heruntergekommen, wie ganz Neapel. Das Zentrum nur äußerer Glanz, Korruption und Mafia, Streit, Rauferein, Intrigen beherrschen den Alltag. Lila ist über ihren neuen Namen – Carracci – unglücklich, fühlt sich beschmutzt. Er frisst ihr Inneres auf. Deshalb zerstört sie auch ihr Foto im Schuhgeschäft, übermalt es und zerlegt es bis zur Unkenntlichkeit. So fühlt sie sich.

In einem Sommer auf Ischia droht die Freundschaft zwischen Lila und Lenu zu zerbrechen: Lila schnappt sich den von Lenu angebeteten Freund, schläft mit ihm, bekommt ein Kind. Zieht von Stefano weg. Lenu beginnt ein Studium in Pisa, macht ihr Doktorrat, ihr erstes Buch wird veröffentlicht. Die Kluft zwischen ihr und Lila könnte nicht größer sein. Doch sie erkennen, dass trotz der Kluft zwischen ihnen die Freundschaft weiter bestehen wird.

Ferrantes Erzählkunst ist einmalig: Immer wieder überrascht sie mit treffenden, detailreichen Szenen, die Milieu und Menschen treffend charakterisieren. Beispielsweise entlarvt sie gekonnt das Partygeplapper der so genannten Gebildeten, die politische Parolen und literarische Neuigkeiten einander wie Pingpongbälle zuwerfen, um damit zu prahlen.

Faszinierend schildert sie den Kontrast der beiden Freundinnen: Lila ist ein gefährliches Tier, unberechenbar, kann jederzeit zubeißen, kümmert sich nicht um das Gerede rund um sie. Lenu – schüchtern, unsicher, orientiert sich immer wieder an der Kraft der von ihr so bewunderten Freundin, bemüht, es ihr gleichzutun, wenn nicht gar sie zu überflügeln.

Ganz leichtfüßig erfährt der Leser von den Problemen Italiens, von der politischen Lage der 60er Jahre. Da sind keine langen Belehrungsszenen, alles wird über Gespräche, Ereignisse transportiert. Aktion und Reflexion sind geschickt ineinander verwoben und ergeben den zupackenden Fluss, der uns in das Geschehen hineinzieht. Da heißt es im Buch über das Buch, das Lenu geschrieben hat: „Da ist Ehrlichkeit, Natürlichkeit und etwas Gehaltvolles im Stil, wie man es nur in wahren Büchern findet.“ (S594) – Damit hat Ferrante wohl ihren eigenen Stil und Erfolg erklärt. An diesem Erfolg ist die Übersetzerin Karin Krieger sicher nicht ganz unbeteiligt. Ihr gelingt es, den Schwung, die Atmosphäre  und die Klangfarbe des Dialektes gut ins Deutsche hinüber zu transportieren.