Ernst Lothar, Der Engel mit der Posaune. Theater in der Josefstadt

Gleich vorweg: Dieses schwierige und gigantische Projekt konnte nur dank der gelungenen Bühnenfassung von Susanne F. Wolf gelingen. Den Roman, der über 500 Seiten umfasst und die Geschichte einer Wiener  Familie von  1889  (Selbstmord des Kronprinzen Rudolf) bis zur Machtübernahme der Nazis,  packend auf die Bühne zu bringen, ist schon eine Meisterleistung. Dazu muss noch gesagt werden: Ohne die wirklich überzeugende und concise Leistung des Ensembles wäre auch die beste Bühnenfassung zum Scheitern verurteilt gewesen.

Im rasanten Szenenwechsel (Regie:Janusz Kiza) läuft das Geschehen ab. Wer den Roman nicht kannte, hatte wahrscheinlich Schwierigkeiten, die schnellen Übergänge richtig einzuordnen.  In der  Annagasse 10, dem düsteren und nicht sehr komfortablen Stadtpalais (das Bühnenbild von Karin Fritz glich aber eher einer schwarzen Fabriksruine) herrscht Empörung, Aufregung: Franz Alt, Chef der Klavierfabrik, heiratet Henriette Stein. Sie ist jung, schön und entspricht so gar nicht der Vorstellung von Ehefrau, die sich die Familie für Franz wünscht. Henriette, die mit Kronprinz Rudolf ein schwärmerisch-romantisches Verhältnis hatte, heiratet aus Vernunftsgründen. Michael Dangl als Franz Alt und Maria Köstlinger als seine Frau Henriette liefern ein subtiles Kammerspiel: der junge Franz, blind verliebt, Henriette kühl, abweisend. Mit den Jahren wächst die Distanz zwischen den beiden. Henriette hat nur Verachtung für ihren Ehemann. Er bleibt ihr treu ergeben, tötet im Duell Henriettes Liebhaber. Doch im Alter – er schwer von einem Schlaganfall gezeichnet – finden sie zusammen und knapp vor seinem Tod erkennt Henriette, wie tief Franz sie trotz allem geliebt hat. Diese Sterbeszene war geprägt von hoher Schauspielkust und tief berührend.

Eingerahmt wird das Familiengeschehen von den politischen EReignissen: Der Selbstmord Rudolfs, der Henriette schwer belastet, die ERmordung der Kaiserin, die Ermordung des Thronfolgerpaares, der Erste Weltkrieg, der Tod des Kaisers, der Zusammenbruch der Monarchie, die Machtübernahme der Nazis in Österreich. Die unterschiedlichen Reaktionen der Familienmitglieder reflektieren stellvertretend die verschiedenen politischen Haltungen und Figuren, wie sie für die Monarchie typisch waren: Otto Eberhard Alt (- sehr gut von André Pohl verkörpert) ist der knöcherne Beamte, dem Gesetzestreue über alles geht. Die Kinder von Henriette und Franz spiegeln die Generation aus der Zeit nach dem Zusammenbruch der Monarchie: Hans  (Alexander Absenger) der Idealist und  Romantiker, letztendlich der einzige, der dem Naziterror Widerstand leistet, Hermann (Matthias Franz Stein), der zum fanatischen Nazi wird, Martha Monica (Silvia Meisterle) ist die Unbekümmerte, die von Politik rein gar nichts wissen und nur das Leben genießen will. Die junge, begabte Selma Hasun spielt die Schauspielerin Selma Rosner, die Hans trotz aller Widerstände der Familie heiratet und von Hermann vergiftet wird.

Tragödie über Tragödie, keiner außer Hans überlebt. Doch es bleibt offen, wie lange. Irgendwann wird die Gestapo seinen Geheimsender entdecken, über den er beharrlich gegen den Naziterror Reden in den Äther schickt.

Es ist auf jeden Fall vorteilhaft, den Roman vorher zu lesen. Im Programmheft finden sich erhellende Aufsätze von Eva Menasse über Ernst Lothar und denRoman und von Iris Sinzinger über das Wien der Jahrhundertwende.

Ein großartiger Theaterabend mit einem gut eingespielten und hoch motivierten Ensemble. Viel Applaus und Bravorufe!

Weitere Termine: www.josefstadt.org