Ilona Jerger, Lorenz. Piper Verlag

Konrad Lorenz entwarf mit seiner „Vergleichenden Verhaltensforschung“ ganz neue Sichtweisen auf die Welt der Tiere. Seine Vergleiche Tier-Mensch fanden nicht immer die Zustimmung in der Welt der Wissenschaft. Und seine Parteizugehörigkeit zur NSDAP hat er lange verschwiegen, was man ihm schon zu Lebzeiten übel nahm. Dennoch waren die Österreicher mächtig stolz auf ihn, als er 1973 den Nobelpreis erhielt.

Über ihn erschienen schon zu Lebzeiten viele Artikel, seine Bücher erregten Aufsehen. Nun hat sich Ilona Jerger mit dieser schillernden Persönlichkeit befasst und nach langen Recherchen eine interessante, humorvolle und immer spannend geschriebene Biografie vorgelegt. Wobei sie betont, keine reine Biografie verfasst zu haben, sondern eher eine Romanbiografie. So erlaubte sie sich Details einzuflechten, die vielleicht so hätten stattfinden können, für die es aber keine Beweise gab. Sie führt auch in Ichform eine Tierforscherin ein, die den Spuren ihres großen Vorbildes nachgeht. Dieser erzählerische Kapriole wäre allerdings nicht notwendig gewesen, sie verwirrt eher.

Konrad Lorenz‘ Leben (1903-1989) spiegelt die Geschichte des 20. Jahrhunderts wider.Nach seinem Medizinstudium widmet er sich als Privatgelehrter der Tierforschung und richtet 1926 auf dem Grund es elterlichen Anwesens in Altenberg bei Wien eine zoologische Forschungsstätte ein. Er beobachtet Gänse – die Gans Martina geht in die Geschichte ein -, Vögel, Hunde, eben alles, was um ihn herum kreucht und fleucht. Als er sich der nazionalsozialistischen Ideologie andienert, bekommt er einen Lehrstuhl in Königsberg. Doch bald wird er eingezogen, als Arzt an die Ostfront geschickt und von den Russen gefangen genommen. Doch auch in der Gefangenschaft setzt er seine Tierbeobachtungen fort. Dank seiner medizinischen Kentnisse kann er vielen Kameraden das Leben retten. Nach sechs Jahren Gefangenschaft wird er freigelassen und kehrt nach Altenberg zurück. Sein Ruhm als Forscher verbreitet sich, 1950 leitet er die Forschungsstelle für Vergleichende Verhaltensforschung, später wird er Direktor des Max-Planck-Institutes für Verhaltensphysiologie am Eßsee in Oberbayern. Mit steigendem Ruhm werden die Stimmen gegen ihn immer lauter, seine NS -Vergangenheit kommt ans Licht. Doch unbeirrt arbeitet Lorenz weiter, schreibt Bücher, engagiet sich im Umweltschutz – Hainburg. Er bleibt bis zu seinem Tod der berühmte Mann, der mit den Gänsen, Fischen und Vögeln sprach.

Ilona Jergers Buch ist keine trockene Biografie. Mit vielen interessanten und humorvollen Details gelingt es ihr, den Menschen Konrad Lorenz den Lesern nahe zu bringen. Dabei beschönigt sie nichts, zitiert aus Briefen und Vorträgen reichlich unangenehme Zitate, die Lorenz als glühenden Verfechter der Rasssentheorie ausweisen. Seitenhiebe und Details rund um das Hitlerregime verblüffen – etwa, die Tatsache, dass Hitler nicht einschlafen konnte. Erst wenn sein geliebter Schäferhund mit ihm einen Schlafgesang anstimmte, dann fand der Neurotiker einigermaßen Ruhe. Geschichten über den schrulligen Philosophen Heidegger, den Dichter Celan oder Willy Brandt beleuchten die politischen und kulturellen Entwicklugen..

„Lorenz“ von Ilona Jerger ist ein lebendig geschriebenes, interessantes Buch, ohne moralisierende Überlegungen. Die intensive Recherche macht sich nicht als lästiger Überhang breit, sondern wird geschickt in die Handlung eingebaut.

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