Im Fieberrausch der Töne. Theater Akzent

Sona Mac Donald und Joseph Lorenz lasen aus dem berühmten Briefwechsel zwischen Peter Tschaikowski und Nadesha von Meck. Am Klavier: Boris Bloch. Silvia Adler, Gesangspädagogin in Darmstadt, wählte aus den 1200 Briefen, die sich die beiden zwischen 1876 und 1890 schrieben, besonders diejenigen aus, die das langsame Vertrautwerden, den Höhepunkt ihrer Beziehung und das Abflauen bis zum bitteren, unerklärlichen Ende zeigen. In einem Flyer kann sich das Publikum über diesen seltsamen Briefwechsel und die schwierige Beziehung zwischen den beiden Persönlichkeiten vorinformieren (sehr nützlich!).

Als Peter Simonischek und Brigitte Karner 2016 diesen Briefwechsel lasen, legten sie das Hauptgewicht auf die Fürsorge und Sorge, die die Gönnerin für den großen Komponisten hegte. Von Liebe war nur vorsichtig, eher als liebevolle Freundschaft die Rede.  Und es blieb immer eine Lesung.

Zwischen Sona Mac Donald und Joseph Lorenz hingegen entstand vom ersten Moment an eine dramatische Spannung. Der reichen Witwe Nadesha von Meck, Mutter von elf Kindern und große Musikliebhaberin, ging es in erster Linie um Liebe. Sie schlich sich mit ihrer unendlichen Bewunderung und großzügigen finanziellen Unterstützung in die Seele des Komponisten ein. Vorsichtig, sehr vorsichtig steigerte Sona Mac Donald die Temperatur – zuerst sehr gemäßigt, voller fast unterwürfiger Bewunderung, dann immer fordernder – eine Fotografie und das Duwort sollen mehr Nähe erzeugen – bis zum  Liebesgeständnis.    Da wird nicht zart angedeutet, sondern voll aus- und angespielt. 

Joseph Lorenz hat den weitaus schwierigeren Part. Ab dem Augenblick, wo er die Bühne betritt, ist er der verbitterte, verarmte, misstrauische Dichter. Der Mund verkniffen, die Augen halb geschlossen geht er nur sehr zögernd auf die Anfragen dieser reichen Witwe ein. Was will sie von ihm? Liebe kann er ihr nicht geben, wie sie es mit immer größerer Deutlichkeit verlangt. Wohl aber Freundschaft, aus Distanz bitte! (Sie begegneten einander nur zweimal sehr flüchtig auf der Straße). Als er Nadesha, seiner lieben Freundin, wie er sie inzwischen nennt, seine erzwungene Ehe gesteht, da windet er sich in Verzweiflung, nahe am Wahnsinn. Nadeshda von Meck leidet, aber reagiert mit Kalkül: Sie überweist ihm eine große Summe, damit er sich weit weg von der ungeliebten Ehefrau erholen kann. Ein Kammerschauspiel der besonderen Art liefert daraufhin Lorenz ab: Er windet sich zwischen Demütigung und Demut und Dankbarkeit, die er doch immerhin zeigen muss. Aber kein Wort von Liebe. Die kann er nicht empfinden, nicht so, wie Nadeshda es sich ersehnt. Nach zwei glücklichen Sommern, in denen sie nahe beieinander wohnen, aber nicht direkt Kontakt haben, ist diese Liebe ihrerseits zu Ende und die finanzielle Unterstützung ebenfalls. Warum, weiß auch Tschaikowski nicht. Er ahnt es zwar.

Beiden Schauspielern gelingt es, aus einer Lesung ein Drama zu gestalten, das die Seelenzustände beider Protagonisten bis ins Detail nachzeichnet. Ein großartiger Abend! 

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