Ivica Prtenjaca, Der Berg. FolioVerlag

Aus dem Kroatischen von Klaus Detlev Olov

Die Geschichte liest sich zu Beginn wie die Umkehr des Romans von Marlen Haushofer „Die Wand“. Während die Protagonistin in Haushofers Roman unfreiwillig durch eine unsichtbare Wand von der Welt abgeschlossen wird, begibt sich der Icherzähler freiwillig und aus Ekel an dem oberflächlichen Leben, das er bisher als Kulturbobo in Zagreb führte, auf eine kleine Adriainsel, um dort in der Bergeinsamkeit drei Monate als Brandwächter zu leben. Wie auch in Haushofers Roman genießt er die Gesellschaft eines Tieres, nämlich eines alten Esels, den er ob der Würde und Gelassenheit, die dieser ausstrahlt, Visconti nennt. Gelegentlich auch „Graf Visconti“.Als dieser altersschwach sich zum Sterben hinlegt, bleibt er bis zum letzten Atemzug bei ihm und begräbt ihn oben auf dem Berg. Die erste Zeit genießt er die Einsamkeit, die Wildnis und die primitive Behausung. Doch aus dem Rückzug aus seinem eigenem Leben taucht der Icherzähler immer mehr in die Vergangeneit der Inselbewohner (wahrscheinlich Male Losinj) ein, erfährt von den Wunden, die der letzte Krieg in den Seelen der Menschen dauerhaft geschlagen hat. Aus dem Menschenflüchter wird ein Menschenversteher, der die Würde der wenigen Bewohner dieser Insel erkennt und achtet.

Ganz ungestört bleibt sein Rückzugsort nicht. Immer wieder marschieren Scharen von Touristen auf den Berg, meist gänzlich ohne Blick für die Natur, oft muss er sie sogar mit Wasser und selbstgebackenem Brot „laben“, was ihm den Schein eines Naturheiligen verleiht. Mit Ärger und Argwohn beobachtet er mit seinem Fernrohr die Zunahme des Tourismus und fürchtet um die Existenz der Inselbewohner. Der Ärger über die Menschen, die ohne Respekt und Einfühlungsvermögen über die Insel trampeln, wird immer stärker:“Der Ekel vor dem menschlichen Verhalten (gemeint der Touristen) hat bei mir alle anderen Emotionen und Einstellungen überwuchert.“ (p 127)

Dem Autor ging es nicht um eine neormantische Verherrlichung der Natur, schon gar nicht um eine Art Aufruf à la Rousseau. Auch wollte er nicht einem klösterlich-veganen Leben das Wort reden. Also warum dann dieses Buch? Es ist die sprachlich gelungene Version einer Einkehr in sich selbst, ohne den Blick auf die Außenwelt zu verlieren. Und es ist eine Mahnung, nicht die letzten Rückzugsorte der Ursprünglichkeit zu zerstören. Denn als er nach Ablauf der drei Monate die Insel verlässt, rücken Bagger und Kräne an. In der stillen Meeresbucht Javorna soll ein Luxusresort mit Golfplatz errichtet werden. Die Bewohner wurden bereits enteignet. – Er kehrt zurück nach Zagreb, begleitet von der Hündin Ciba, die ihm auf dem Berg oben zugelaufen ist. Ob er nach den drei Monaten auf dem Berg ein anderer geworden ist? Welches Leben wird er in Zagreb führen? Alles bleibt offen.

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