Sommerausklang mit Joseph Lorenz- Friedrich Torberg: Schüler Gerber. Kultursommer Semmering

„Der Spätsommermorgen war lau..“ So begann Joseph Lorenz und entführte das Publikum in ein mortales Roadmovie durch das qualvolle Schülerleben von Kurt Gerber. Die Luft war nicht lau, eher schwül. Wie vor einem Gewitter. Aber der Himmel blieb klar.

Wer sich fragte, warum Joseph Lorenz ausgerechnet diesen Roman von Torberg für eine Lesung wählte, der bekam schon in den ersten Minuten die Antwort darauf: Das war keine „Lesung“ im üblichen Sinn. Jospeh Lorenz hatte den Text bearbeitet und daraus ein Kammerspiel gestaltet. Ein Ein-Mann-Stück, in dem er alle Rollen spielte. Hochdramatisch, unsympatisch in Ton und Geste Gott Kuper, der Lehrer, der sich auf das Früchtchen Kurt Gerber freut, weil er siegessicher weiß: „Dich kriege ich klein“. Er will ihn ruinieren, ihn tranchieren. Lorenz ist Gott Kupfer mit all den unsympathischen Zügen: Gott mit unbeschränkter Haftung, Zyniker von Teufels Gnaden. Mit höhnisch verzogenen Mundwinkeln bereitet Kupfer sein Opfer auf das Ende vor. Doch bevor er sein Opfer in den Krallen hat, inszeniert Lorenz kleine Einzelszenen als Kabinettstückerln. So etwa, wenn der Superschüler Benda mit stoischer Ruhe mitten im Matheunterricht begehrt, aufs Wasserklosett gehen zu dürfen und den verdutzten Kupfer aufklärt, dass man sterben kann, wenn man den Harn zu lange zurückdrängt. Komisch und skurril auch die Szene bei Professor Ruprecht, bei dem Kurt Gerber Nachhilfestunden nimmt. Da entdeckt er mit Staunen und Verzücken, dass Professoren auch nur Normalos sind. Sie essen ein Schinkenbrot – diese triviale Erkenntnis lässt Kurt Gerber kichern und das Publikum lachen.

Joseph Lorenz ist der Schüler Gerber, intelligent, sensibel, verliebt, leidet unter dem Leiden seines Vaters, ist verzweifelt bis zurm Irrsinn. Ein Irrsinn, der ihn überfällt, das Fenster öffnen lässt und ihn in die Tiefe lockt. Der Tod ist gnadenlos, der Erzähler erstarrt, das Publikum atemlos. Am Ende braucht Jospeh Lorenz eine gute Minute, um aus diesem Todesschock in die reale Welt zurückzukehren. Auch das Publikum ist wie erstarrt, bevor es dann in frenetischen Applaus ausbricht.

Und wir, die wir einmal mehr eine Probe der großartigen Schauspielleistung bekommen haben, verstehen nicht, warum man den Namen Joseph Lorenz vergeblich im Spielplan der Josefstadt sucht. Aber wir haben einen Trost: Wo Joseph Lorenz auftritt, da geschieht Theater, da ist Dramatik. Er braucht keine „Bühne“, er schafft sich sein eignes Theater, und da genügen ein Sessel und ein Tisch. Aus der „Lesung“ wird das „Ein-Mann- Theater“, ein Kammerspiel!

Hier noch einige Hinweise, wo Jospeh Lorenz zu erleben sein wird:

Musiktage Mondsee, 1. September: Edgar Allan Poe

Theater Akzent, 22. September : Schüler Gerber und 29. November : Werfel, Verdi

Bösendorfer Festival in den Kasematten, Wiener Neustadt: 5. Dezember: Thomas Bernhard, Der Untergeher

Weitere Informationen zum Kultursommer Semmering: www.kultursommer-semmering.at