Theater in der Josefstadt: Geheimnis einer Unbekannten (Stefan Zweig)

Christopher Hampton nach Stefan Zweigs Novelle „Brief einer Unbekannten“. Deutsche Übersetzung von Daniel Kehlmann

Fotocredit: Moritz Schell

Wenn Christopher Hampton ein Werk dramatisiert, dazu die Regie führt und Daniel Kehlmann für die deutsche Übersetzung zeichnet, dann ist ein Abend von hoher Qualität sicher. Genau abgestimmt zu der subtilen Regie passt das Bühnenbild von Anna Fleischle: Ein nobler Raum und ein schlichter Stiegenaufgang werden durch geschickte Lichtführung (Emmerich Steigberger) je nach Szene verändert. In den Kostümen von Birgit Hutter sind Anlehnungen an die Zeit der 1930er Jahre zu erkennen.

Über allem liegt ein Schleier der Erinnerung. Im Rückblick wird die Geschichte Mariannes, ihre tiefe, unveränderte und starke Liebe zu dem bekannte Schriftsteller Stefan, den man unschwer als Stefan Zweig erkennt, aufgerollt. Geschickt hat Christopher Hampton in das Geschehen Details aus dem Leben des Schriftstellers eingeflochten. Verbittert über das Aufführungsverbot seiner Stücke und seine Verfemung als jüdischer Schriftsteller betont er: „Ich bin kein jüdischer Schriftsteller, ich gehöre zur deutschen Nation.“ Vielen jüdischen Künstlern sollte diese falsche Einschätzung der Lage das Leben kosten. Stefan (Zweig) denkt am Ende ans Weggehen, an Flucht. Der Tod Mariannes hat ihn schwer erschüttert.

Die Liebe ist das Hauptthema. Mariannes Liebe ist unbedingt und für Stefan, den eitlen und erfolgsverwöhnten Fraueneroberer zunächst nur ein angenehmes Erlebnis. Ihm bedeutet die Liebe zu dieser Unbekannten nicht mehr als die Garantie für eine erotische Nacht. Diskret geleitet er seine Eroberung ins Schlafzimmer und schließt leise die Tür. Am Morgen erwartet er ungeduldig ihren Abgang, steckt ihr zu seiner eigenen Gewissensberuhigung heimlich Geld in die Handtasche. Erst viele Jahre später wird er die Wahrheit erfahren: Marianne hat eben den Sohn, den sie in der einen Nacht gezeugt haben, ohne sein Wissen und Hilfe erzogen. Als er starb, geht auch sie in den Tod, nicht ohne vorher Stefan die ganze Wahrheit über ihre Liebe zu ihm zu gestehen. Ganz ohne Bitternis und Vorwürfe sagt sie ihm: Du hast mich nie erkannt.

Martina Ebm gelingt es, all die verschiedenen Rollen, die des verträumten Schulmädchens, die der jungen Frau, die sich auf eine Nacht mit dem Geliebten einladen lässt, und die der erfahrenen Frau, die durch großes Leid gegangen ist, grandios zu verwirklichen. Nie kommt auch nur ein Hauch von Kitsch in ihre Erzählung, wenn sie sich an das schüchterne Mädchen erinnert, das mit Herzklopfen auf den Stiegen Stunden gewartet hat, nur um einen Blick von ihm zu erhaschen. Er aber hat sie übersehen, nie erkannt. Den schwierigeren Part hat Michael Dangl. Denn einen eitlen Mann zu spielen, das wäre ja noch leicht. Doch den Übergang von Eitelkeit zu Erkenntnis und Schuld – das verlangt ein feines Spielsensorium. Was Michael Dangl ohne großes Wortbrimborium in schlichter Weise meistert.

Bleibt zu hoffen, dass das Stück im Herbst wieder aufgenommen wird.

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