Theater Scala: Arthur Miller: Tod eines Handlungsreisenden

Deutsch von Völker Schlöndorff und Florian Hopf

Regie: Peter M. Preissler, Bühne: Markus Ganser, Kostüme: Sigrid Dreger

Als das Stück 1949 uraufgeführt wurde, war es sofort ein Riesenerfolg, und Arthur Miller wurde schlagartig berühmt. Der amerikanische Traum hatte schon lange zu bröckeln begonnen. Kapitalismusgläubigkeit war einmal. Es ist kein Wunder, dass es bis heute immer noch oft und erfolgreich gespielt wird. Allerdings weniger oft bei uns. Zuletzt brillierte 2008 Heinz Marecek als Willy Loman im Volkstheater.

Nun wählte man sehr passend zur Coronaepidemie und der Wirtschaftskrise im Theater Scala gerade dieses Stück, obwohl der Intendant Bruno Max im Vorwort des Programmes betont, das es kein „explizites Corona-Stück“ sein soll. Aber ein besseres konnte man gar nicht finden in einer Zeit, wo viele Geschäftstore für immer verschlossen bleiben und die Zahl der Arbeitslosen enorm ist. Den Traum vom großen Geld haben sich die Großkonzerene verwirklicht als Gewinner der Epidemie. Alle anderen werden sich den Traum vom kleinen Ersparten abschminken und schauen, wie sie über die Runden kommen.

Zunächst einmal: Ein großes Lob an die Regie! Peter Preissler hat sich ganz uneitel, ohne Regiemätzchen dem Text anheimgestellt. Denn Arthur Miller war ein handwerklich ausgezeichneter Dramatiker, da muss ein Regisseur nicht mit Eigenwilligkeiten und Absonderlichkeiten dreinfunken. Es tut richtig gut, wieder einmal ein Theater zu sehen, das den Zuschauer nicht vor Rätselaufgaben stellt. Er, der Zuschauer, darf sich ganz auf den Text und die großartigen Schauspieler konzentrieren. Dezent, aber eingängig wurde Preisslers Konzept vom Bühnenbildner Marcus Ganser und den Kostümen von Sigird Dreger unterstützt. Eine Werbewand zeigt den Topos einer glücklichen, amerikanischen Familie in einem Auto der 50er Jahre: Alle strahlen vor Happyness. Das Inventar der Wohnung spricht allerdings eine ganz andere Sprache: einsames Prunkstück ist ein Eiskasten, der noch nicht ausbezahlt ist. Die Betten im Oberstock sind karg, ansonsten wirkt alles eng und kleinstbürgerlich.

Die großartige Leistung des gesamten Ensembles lässt den Zuschauer konzentriert und fast atemlos der Handlung folgen, auch wenn man sie schon kennt. Man hätte für die Rolle des Willy Loman keínen besseren als Thomas Kamper finden können. Er ist ein eitler Träumer, voller Lebenslügen und falschen Hoffnungen. Auch wenn er seine Frau Linda – sehr gut Susanne Winter – anschreit, sie mit einer Hure betrügt, so spürt man die Liebe, die er für sie hat. Auch die Verantwortung, unter der er zusammenzubrechen droht. Und die ihn letztendlich in den Selbstmord treibt. Wichtig ist ihm, seine Lebenslüge vom bestmöglichen Leben, von der großen Karriere, vom Wichtigsein, vor allem von dem Erfolg seines in seinen Augen genial-begabten Sohnes Biff aufrecht zu erhalten. Philipp Stix ist dieser Sohn mit allen Fasern: einst vom Vater zum Hochglanzsohn aufpoliert, dann fürchterlich gescheitert, von zu Hause ausgerissen, kehrt er wieder, weil er alles verloren hat. Und wie es für den gütigen Vater so gehört, er nimmt ihn auf, weil er immer noch an dessen Erfolgskarriere glauben will. Dass er damit den Sohn überfordert und letztlich ruiniert und zu einem Dieb und Herumtreiber gemacht hat, macht ihm Biff in einer erschütternden Szene klar. Hilflos und vom Vater unbeachtet muss der zweite Sohn Happy (sehr gut Thomas Machart) dieser Familientragödie zusehen. Aber Willy Loman ist nicht nur Täter, indem er die Familie mit seinen Pseudokarrieregeschichten täuscht, er ist auch Opfer. Opfer eines kapitalistischen Systems. In einer der bedrückendsten Szenen verlangt er beim Firmenchef – bezwingend widerlich gespielt von Regis Mainka – eine Gehaltserhöhung. Er nimmt sich zumindest vor, sie zu verlangen. Doch bald schon fällt er auf die Knie und fleht um wenigstens ein Almosengehalt. Als der Boss ihm stattdessen die Kündigung kalt serviert, schreit er ihn an: „Du kannstt die Zitrone nicht auspressn und dann die Schale wegwerfen – ein Mensch ist doch kein Abfall!“

Berechtigter begeisterter Applaus für alle Schauspieler und das ganze Regieteam! Eine bemerkenswerte Aufführung, ganz ohne Regietheaterquälerein, deshalb doppelt wirksam!

Karten und Infos: http://www.theaterzumfuerchten.at/TheaterScala

Trotz Corona und langem Lockdown wurde im Untergeschoss der Scala ein neues Theater eröffnet. „Während andere zusperren, eröffnen wir neu“ heißt es im Flyer. Im „Scalarama“, wie das neue Baby heißt, ist bis 18. Juni „Der zerbrochene Krug“ von H.C. Artmann nach Heinrich von Kleist zu sehen. Kartenreservierung: 01/544 20 70