Wiener Staatsoper: György Ligeti: Le Grand Macabre.

Text: Michael Meschke und György Ligeti nach Michel de Ghelderode

Musikalische Leitung Pablo Heras-Casado, Inszenierung und Bühne Jan Lauwers, Kostüme Lot Lemm, Choreographie Paul Blackman und Jan Lawers

Es passte alles zusammen: Direktor Bogdan Roscic hatte sich vertraglich verpflichtet, auch Klassiker des 20. Jahrhunderts zu spielen. Der 100. Geburtstag des Komponisten G. Ligeti war ein geeigneter Anlass, diese Pflicht zu erfüllen.. Mit „Le Grand Macabre“ hätte man keinen besseren Griff machen können. Ebenso wenig mit dem Winningteam Heras-Casado, Jan Lauwers, Lot Lemm und dem Choreographen Blackman gemeinsam mit Lawers. Allesamt erfahrene Theatermacher. Und so kam es, dass eine Oper des 20. Jahrhunderts ein Riesenerfolg wurde. Publikum und Kritiker waren begeistert – ein seltener Fall von Einmütigkeit.

Autohupen eröffnen den Abend und stimmen das Publikum auf Unerhörtes, noch nie Gehörtes und noch nie Gesehenes ein. Mit einem Bühenbild – Ausschnitte aus dem „Breughelland“ -, Tänzern in „Nacktkostümen“ hat man genug zu tun, alles zu erfassen – da wird gehüpft, gevögelt, geschlemmt, was das Zeug hält – alles aufgelöst in choreografische Kleinszenen, die nie auch nur die Spur von Ordinärem haben. Ein Kunststück sondergleichen. Wir sind in einem Schlaraffenland, wo alles erlaubt ist. Die Musik karikiert das Geschehen, nimmt dem Obszönen das Geile und formt es zu einer „Commedia dell`Arte“ um. Unterhaltsam wie die Musik sind die Einzelszenen: Da wird nicht angeklagt, nicht angespielt auf Aktuelles, sondern nur einfach das Leben in allen Facetten genossen – wie der Säufer Piet vom Fass ( sehr überzeugend Gerhard Siegel) verkündet. Wer nicht als Mann spurt – dem droht die Peitsche: Marina Prudenskaya ist eine urkomische Mescalina, fordert von ihrem Gespons Astradamus mehr sexuellen Einsatz – Wolfgang Bankl darf gehörig unter ihr leiden. Überhaupt ist Venus gefragt (toll in der Doppelrolle als Venus und Chef der Gepopo: Sarah Aristidou). Mitten in diesem heftigem Treiben taucht der allen unbekannte Nekrotzar auf – eine gesangliche und darstellerische Sonderleistung von Georg Nigl. Er stellt sich vor als der Tod! Durch den Sturz des Kometen sollen Erde und Menschen vernichtet werden – das hat schon bei Nestroy nicht geklappt, und heute noch weniger: Alle fürchten sich, jammern, aber – kein Tod, kein Komet, denn Nekrotzar hat sich zu Tode gesoffen – „consummatum.est“ – heißt es, als er verendet. Dass die Wiener den Tod durch Gesang und Wein vertreiben, das ist Standard. Was Ligeti daraus macht – ist einfach die Parodie auf die Parodie mal drei!! Eine ganz zwielichtige Rolle spielt der Pseudofürst Go-Go (eindrucksvoll der Countertenor Andrew Watts). Seine Herrschaft steht auf wackligen Papierbeinen, wie seine Krone auch.

Ein Wirrwarrbild, das sich immer wieder auflöst, neu bildet – das Publikum ist vollauf beschäftigt. Langeweile – keine Sekunde. Höchstens ein ganz kleines Bisschen nach dem Tod des Todes. Das wäre ein passender Schluss, doch es geht noch weiter. Denn man will ja zeigen, das man den Tod nicht fürchtet. Das allerdings hat das Publikum schon begiffen. Das altbekannte Wiener Motto leitet den Schluss ein: „Fürchtet den Tod nicht, irgendwann kommt er, doch nicht heut.“ und „Wir haben Durst, also leben wir“ singt Piet vom Fass. Wie zur Bestätigung, dass auch Sex und Erotik nicht vertrocknen, singen die beiden Verliebten Amanda und Amando (Maria Nazarowa und Isabel Signoret) von ihrem Liebesglück. Unter heftigem Geschmuse und einer furiosen musikalischen Feier des Lebens geht ein machtvoller Abend mit hintergründiger Musik und vielen ebensolchen Anspielungen zu Ende. Ein Extraapplaus galt dem Dirigenten Heras-Casado, der mit den Sängern mitatmete, die Musik nie über die Sänger triumphieren ließ.

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