Yavud Ekinci: Das ferne Dorf meiner Kindheit. Kunstmann Verlag

Aus dem Türkischen von Gerhard Meier

Yavud Ekinci ist ein engagierter türkischer Schriftsteller, der für die Rechte der Kurden vehement eintritt, was natürlich im Erdoganregime nicht unbeobachtet blieb. Zur Zeit lebt er in Deutschland. Sein Roman „Das ferne Dorf meiner Kindheit“ hat einen biografischen Hintergrund. Die Handlung umspannt fast ein Jahrhundert.

Im ersten Teil schildert er aus der Sicht des Kindes Rüstem das Aufwachsen in einem kurdischen Dorf irgendwo in den anatolischen Bergen. Seine kindliche Welt scheint zunächst unbedroht: Murmelspiele, die ersten verliebten Blicke auf ein Mädchen. Doch bald trübt sich die heitere Kindheit ein – drohende Wolken ziehen auf: In der Schule wird bei Prügelstrafe verboten, Kurdisch zu reden. Sein älterer Bruder hat sich einer Widerstandsgruppe angeschlossen und wird von den Soldaten gesucht. Das Haus, in dem Rüstem mit seinen Großeltern und dem Vater wohnt – seine Mutter ist schon lange tot – wird von den Soldaten durchwühlt. Als der geliebte Großvater stirbt und alle Häuser des Dorfes von den Soldaten in Brand gesetzt werden, geht seine Kindheit jäh zu Ende.

Im zweiten Teil ist Rüstem ein junger Mann. Er besucht die kranke Großmutter im Spital in der Stadt. Dabei erzählt sie ihm aus ihrer Vergangenheit: Sie ist Armenierin, die durch Zwangsheirat vor dem Genozid „gerettet“ wurde. Ihren ersten Ehemann, den sie sehr geliebt hatte und mit dem sie nur 6 Monate verheiratet war, fand sie als von den Soldaten übel zugerichteten Leichnam. Nun ist es ihr einziger Wunsch, neben ihm begraben zu werden. Rüstem lädt gemeinsam mit seinem Vater den Sarg mit der Leiche seiner Großmutter auf einen Traktor. Sie fahren los, um sie an dem von ihr gewünschten Ort zu begraben. Doch sie werden von Soldaten aufgehalten, der Sarg wird zertrümmert, die Leiche mit Schüssen durchbohrt. Die beiden verbringen eine grauenvolle Nacht in einer engen Gefängniszelle gemeinsam mit der schon stinkenden und von Maden angefressenen Leiche. Am nächsten Morgen werden sie zwar freigelassen, aber die Leiche darf nicht begraben werden. Der Vater Rüstems sperrt sich mit ihr in seinem Zimmer ein und erhängt sich.

Yavud Ekinzi meinte in einem Interview, Literatur müsse immer politisch sein, grausam und hart. Aber ehrlich: Zu viel der sehr detaillierten Schilderungen diverser Leichen tut dem Roman nicht gut – angeekelt liest man darüber hinweg und ist fast erleichtert, als man am Ende angekommen ist. Die Bereitschaft, über das Schicksal der Kurden und der Armenier mehr zu erfahren, nimmt mit zunehmender Seitenanzahl ab.

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