Bernhard Schlink: Die Enkelin. Diogenes

Bernhard Schlink gehört zu den besten Erzählern der Gegenwart. Sein Stil ist klar, ohne bemühte Extremformulierungen. Ihm genügt ein kurzer Satz, der eine ganze Person oder Landschaft erfasst. Über die Landschaft der DDR etwa heißt es: „Kaspar wollte sich die Leere des Dorfes nicht trostlos vorstellen, sie sollte ihre Richtigkeit haben.“ (S135). Um die Trunksucht und die Verzweiflung Birgits zu erklären: „Birgit hat ihren Ort in der Welt nicht gefunden (S 229).“ Ein Autor wie Schlink braucht nicht modische Tendenzen aufzugreifen, wie das destrukturierte Erzählen, das jeder zweite Autor heutzutage bemüht..Meist auf Kosten der Leser, denen die Zertrümmerung des Plots oft Mühe und Langeweile beschert.

Anders als der Titel vermuten lässt, wählt Bernhard Schlink nicht die Enkelin als Hauptfigur, sondern Kaspar, einen 70-jährigen Buchhändler. Kaspar ist kultiviert, versucht Menschen, Ereignisse so weit wie möglich ohne Vorurteile zu sehen, alles „soll seine Richtigkeit haben“. Als Student will er die Andersartigekti und die Ähnlichkeit zwischen dem Westen und der DDR kennenlernen und reist noch vor dem Bau der Berliner Mauer zwischen West- und Ostberlin hin und her. Auf einem Fest in Ostberlin lernt er Birgit kennen und bei seinen weiteren Besuchen immer mehr lieben. Er ermöglicht ihr die Flucht in den Westen. Die beiden heiraten. Doch Birgit kann nicht wirklich Fuß fassen, denn sie verheimlicht Kaspar etwas Wesntliches. Als sie ihn kennenlernte, war sie von einem anderen Mann schwanger. Weil dieser sie schmählich in Stich ließ, gibt sie das Kind nach der Geburt weg. Kaspar erfährt davon erst, als Birgit tot ist (Selbstmord ?) und er ihr Tagebuch liest. Seine Recherchen führen ihn wieder in die nun schon ehemalige DDR. Er findet das weggelegte Kind, das nun eine erwachssene Frau ist und in einem Dorf mit Björn, einem fanatischen Anhänger der „völkischen Nationalen“ lebt. Die beiden haben eine 14jährige Tochter, Sigrun. Mit großzügigen Geldspenden besticht Kaspar Björn, damit er Sigrun in den Ferien zu sich nach Berlin holen darf.

Die Fragen und Auseinandersetzungen zwischen dem Großvater und der Enkelin (eigentlich Stiefenkelin) Sigrun bilden den Kern des Romans. Sigrun – ganz von ihrem Vater rechtsradikal erzogen – leugnet vehement den Holocaust. Er sei erfunden, damit sich die Deutschen ihrer Vergangenheit schämen. Wie soll nun der lebenserfahrene, tolerante und unkämpferische Kaspar auf all diese in Sigrun fest vom Vater eingehämmerten Vorurteile und Ansichten vorgehen? Gut durchdacht, spannend bis zum Schluss.

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Die Auseinandersetzung des Großvaters mit seiner Enkelin macht den spannenden Hauptteil der Geshcihte aus. Wie auch im Buch „Der Vorleser“ geht es Schlink auch diesmal um die Aufarbeitung der Geschichte Deutschlands aus der Sicht zweier Generationen und Weltanschauungen.