Burgtheater: Der Zauberberg nach dem Roman von Thomas Mann

Regie: Sebastian Kraft, Bühne: Peter Baur, Video: Sophie Lux, Kostüme: Jelena Miletic, Licht: Michael Hofer

Frech, jung, witzig stemmt Sebastian Kraft diesen Megaroman, einst Mekka aller Bildungbürger, die genüßlich die Affären von Liebe und Tod, Krankheit als geistige Überkraft, verschlungen haben.

Es geht um vieles, aber alles nur spielerische Theorie. Man kokettiert mit der Krankheit, philosophiert über „Zeit“, „Vergänglichkeit“, „Liebe“ und vernimmt es gelassen, wenn die resolute Krankenschwester wieder einen neuen Todesfall verkündet. Kranksein ist Pflicht, da oben auf dem Berg in Davos. Krankheit adelt. Wer nicht krank ist, bemüht sich schnell um ein wenig Fieber. Das muss man haben. Die Fieberkurve ist der Gradmesser für den Eintritt in diese Welt oben, die arrogant auf dasTiefland unten blickt. Dass manches, wie 7 Minuten Fiebermessen in totaler Stille oben auf der Bühne und unten im Publikum, ein wenig langweilig und affektiert wirkt, sei auch gesagt.

A propos Publikum und Bühne: Selten, bis gar nicht habe ich so viel Harmonie, Gleichklang zwischen dem Geschehen auf der Bühne und dem im Zuschauerraum erlebt! Oben sprach man über Husten, Fieber, unten wurde gehustet als wäre das Burgtheater eine Außenstelle von Davos. Als auch noch auf der Bühne der Arzt Dr. Behrens über die Lunge referierte und der Theaterarzt diskrret nach draußen gebeten wurde, dachte ich kurz an eine ganz besonders raffinierte Inszenierung. Ist ja alles möglich im Theater von heute.

Nun aber zur Meisterleistung des Regisseurs und der Schauspieler: Bastian Kraft arbeitet gerne mit einem Vexierspiel zwischen der greifbaren Wirklicheit der Bühne und der irrealen Welt des Videos. Manche würden seufzen: „Nicht schon wieder!“ Aber Kraft kann es wirklich! Ich denke an die dramatisierte Fassung von Oscar Wildes Roman „Dorian Gray“, die seit Jahren ein Publikumserfolg ist. Wie er und Peter Baur den Zauberberg als Kristallteile auf die Bühne stellen, das hat Wucht und beeindruckt. In, auf und zwischen diesen kantigen Klippen lässt er vier Schauspieler alle Figuren des Romans spielen: Felix Kammerer, Dagna Litzenberger Vinet, Markus Meyer und Sylvie Rohrer sind abwechselnd Hans Castorp und zugleich – als Video eingeblendet – eine der anderen Figuren. Mit diesem ungewöhnlichen Vorgehen vermeidet Bastian Kraft fast immer Langeweile. Aber eben nur „fast“ immer. Denn es gibt Strecken, in denen der Zuseher leicht wegdriftet, weil einfach zu viele Gesichter und Themen auf ihn einwirken. Etwa während der Carnevalszene.

Packend ist der Schluss: Christentum, Humanismus, Kommunismus, Sozialismus – alle „Ismen“ haben versagt, konnten den Krieg nicht verhindern. Der Glaube der Gutmenschen fällt in sich zusammen. Gewalt ist stärker als alle Theorie. Hans Castorp wird in den Krieg ziehen. Starker Abgang!

Am Ende noch eine Schlussbemerkung, wenn man so will eine Bitte: Ich knüpfe da an einen Artikel des ehemaligen Operndirektor Ioan Holender im Kurier an: Er monierte die langen Aufführungszeiten ohne Pausen. Zwei Stunden und länger sind für schlanke Menschen ohne viel Sitzfleisch hart! Außerdem vermisse ich die Halbzeitdiskussionen in den Pausen! Hat man Angst, dass zu viele Zuschauer in der Pause gehen?

http://www.burgtheater.at