Christoph Kotanko: Kult-Kanzler Kreisky. Mensch und Mythos. Verlag Überreuter

Warum jetzt schon wieder eine Kreiskybiografie, wird sich so mancher Leser fragen. Wahrscheinlich gibt es sicher mehr als zehn Publikationen, die sich mit der Kultfigur Kreisky befassten, darunter viele von prominenten Autoren wie Heinz Fischer, Wolfgang Petritsch oder Oliver Rathkolb. Nun also dieses Werk. Es erscheint in einer schwierigen Zeit. Corona fordert von der Bevölkerung alles ab. Die Regierung herrscht, ohne viel Überlegungen werden Gesetze erlassen, die nicht immer nachvollziehbar sind. Und der selbstbewusste Kanzler sonnt sich in seinen imperialistischen Operettenauftritten. Was hätte wohl Kreisky zu all dem gesagt? Vielleicht: „Lernen Sie Demokratie, Herr Bundeskanzler“ ( Ich zitiere hier Herbert Hutar, mit dem ich ein Gespräch am Silvestertag 2020 über Kreisky und Kurz führte)

Genau diese konträre Auffassung von Politik wird beim Lesen dieser Biografie klar: Kreisky „herrschte“ auch, er wurde ja auch oft „Sonnenkönig“ genannt, aber: Er informierte sich, sprach mit den Leuten aus dem Volk, die ihn jederzeit – und wirklich jederzeit! – anrufen und ihm die Probleme schildern konnten. Er verstand die Sorgen der Menschen, wusste fast immer Lösungen. Und: Er konte auch einsehen, wann er verloren hatte – etwa in Sachen Atomkraftwerk. Gesetze oder Erlässe,die im Nachhinein vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden, gab es damals nicht. Christoph Kotanko zeichnet das politische Porträt objektiv, bringt in Interviews mit Persönlichkeiten aus Kreiskys engstem Umfeld das Pro und Kontra um die politischen Entscheidungen und das Charakterbild des Kanzlers.

Der Stil Kotankos, fern von historischer Gestik, ist lebendig und frisch. Mit Wehmut liest man über diese Zeit, die auch nicht immer leicht war. Aber man wusste damals, Politik hieß Verantwortung übernehmen. Und das tat Bruno Kreisky.

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