Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre: Alle sind so ernst geworden. Diogenes Verlag

Losgelöst von literarischen Ambitionen plaudern die beiden Freunde über alles und nichts, in freiem Slam-Gerede. Kein Satzgefeile, sondern wie es kommt. Und „es“ kommt recht unorthodox daher, manchmal frei von Grammatik, ganz wie den beiden der Schnabel gewachsen ist. Themen purzeln übereinander und untereinander. Für den Leser reinstes Gehirnjogging. Den Sprüngen zu folgen verlangt mehr Anstrengung als man hinter dem Titel vermutet.

Glaubt man sich im sicheren Gewässer des Verstehens, schon ist man mitten in einer Untiefe, einem Strudel. Wie jetzt? wie ist der Schmäh gemeint? -Natürlich ernst! Denn „alle sind so ernst geworden“ – also nehmen Suter und sein Freund den blödesten Schmäh ernst, wie etwa die orangene Badehose. Peinlichkeiten werden ausgewalzt, alles wird aufs Korn genommen, vor allem das allgemein Übliche. Manchmal übellaunig-witzig, manchmal geistlos. Das Geistlose wird adoriert, verziert, bis es sich selbst denunziert. Der literarisch hochangesehene PEN-Club wird hochachtungsvoll zerlegt, bis nix mehr über bleibt. Schnöselwendungen werden nicht entschnöselt, sondern ernstlich verwendet. All die Ähmms und Sozusagen und Undsoweiter der Politiker und Großredner delikat genossen. Den täglichen Unfug benützen die Gesprächspartner wie ein hochgeistiges Denkgebilde und zerlegen ihn genüsslich..

Mit schmallippigem Lächeln denunzieren Suter und sein Gesprächspartner, der meist der Motor und Fragesteller ist, die Floskeln, die Notlügen, die höflichen Lügen. So nebenbei erfährt man auch Privates, wie etwa Suters Liebe zum Mundharmonikaspiel.

Der Reiz dieses Gesprächskauderwelsch‘ liegt im bewusst Unliterarischen, im locker Dahergesagten ohne Konzept. Manche Steigerungen reichen bis ins Absurde eines Ionesco – etwa wenn die beiden über die mangelnde „Willkommenskultur“ blödeln, die der Tausenderschein erfährt. Keiner will ihn, keiner kann herausgeben, keiner kann spontan wechseln.

Tipp für zukünftige Leser: Immer nur eine, maximal 2 Geschichten lesen. Dann das Buch einige Tage ruhen, den Humor sich absetzen lassen. Denn Geblödel, auch wenn es noch so geistreich daherkommt, nervt in zu großen Dosen. Das ist wie mit Weihnachstkeksen oder Schokolade: Man überisst sich leicht.

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