Der Feuervogel. Ballettabend in der Volksoper

Tänzer der Wiener Staatsoper und Volksoper stellten ihr Regietalent unter Beweis. Für das Publikum war gleich der 1. Teil „Petruschka“ nach der Musik von Stravinsky (Fassung 1947) eine Herausforderung. Eno Peci, allen Ballettfreunden als hervorragender Tänzer bekannt, zeichnete für die Choreographie und Dramaturgie (gemeinsam mit Pavol Juras) verantwortlich. Und er hatte den Mut, ein ganz neues Konzept auf die Bühne zu bringen. Man kann ruhig von einem Regietheaterballett sprechen. „Vor dem Hintergrund unserer gegenwärtigen WElt sehe ich eine Vielzahl von „Petruschkas“ – Menschen, die aus verschiedenen Gründen (sei es die Situation am Arbeitsplatz oder andere) unglücklich sind. “ (So Peci im Programmheft) Von dieser Prämisse ausgehend ist sein Petruschka ein Lehrer, der mit dem Beruf völlig überfordert ist, die Familie vernachlässigt und die Liebe zu seiner Frau verliert. Ein wenig ist man während der Szenen in der Schulklasse an Nestroys „Die schlimmen Buben in der Schule“ erinnert: Es wird gestritten, gerauft, mit Büchern und anderen Gegenständen umhergeworfen. Petruschka ist hilflos. Es nützt nichts, dass er auf die Tafel groß: Miteinander, Respekt und Liebe schreibt. Das Chaos ist unregulierbar. Gewalt bricht aus, als die junge Frau des Lehrers die Klasse betritt. Fast kommt es zur Vergewaltigung. Die Szene löst sich gespenstisch auf, als die Schuldirektorin die Klasse betritt. Tänzerisch großartig: Davide Dato als Lehrer, berührend Nina Tonoli als seine junge Frau und ganz hervorragend Rebecca Horner als Direktorin: halb Schlange, halb weiblicher Dämon – in einem fantastischem Kostüm (Pavol Juras). Nun könnte man einwenden, dass Peci hier alle nur möglichen Klischees bedient, die man so aus der Schuldiskussion kennt. Das ist wahr, aber zugleich bewahrheitet sich ein Satz: Alle Klischess sind in der Realität verankert.

Im Mittelteil des Abends „Movements to Stravinsky“ kann sich das Publikum an einem klassisch choreographierten Ballett erfreuen: András Lukács, Tänzer und Choreograph seit 1999, lieferte ein sehr innige, unaufgeregte Choreographie, in der 6 Paare ihr Können zeigen. Musik aus verschiedenen Werken Stravinskis.

Den Schluss bildete „Der Feuervogel“. Andrey Kaydanovskiy – seit 2015 Halbsolist der Staatsoper und erfahrener Choreograph – unterwarf das alte Märchen einer sehr eigenwilligen Neudeutung: Ivan (Masayu Kimoto) ist ein armer Student, der sich mit Hilfe des Alterego-Feuervogels (Davide Dato) in ein Einkaufszentrum einschleicht, den Besitzer (Mihail Sosnovschi) entmachtet, sich dessen Geliebte (Rebecca Horner) schnappt. Die Stärke dieser Choreographie liegt in den Massenszenen: Herrlich ironisch der Auftritt der Putzbrigade, der Verkäuferinnen und der Kunden. Alles in allem ein regielastiges Ballett mit vielen skurrilen und witzigen Einfällen.

Nicht unerwähnt darf das exzellente Dirigat von David Levi bleiben. Er brachte alle Nuancen der Musik Stravinskis zum Blühen.

www.volkoper.at

Mein Rat an alle zukünftigen Besucher: Unbedingt vorher das Programmheft lesen! Die drei Choreographen erläutern darin sehr klar ihre Ideen.

Weitere Termine: 11., 16., 21., 22., 23., 28. Mai, 2., 7. Juni 2017