Dürrenmatt nach Shakespeare: König Johann

Künstlerische Leitung und Regie: Anna Maria Krassnigg

Das Ensemble „wortwiege“ ist vom Thalhof in die Kasematten nach Wr. Neustadt umgezogen. Dort weiß es die Gemäuer und die Atmosphäre dieses ehemaligen Waffenlagers aus dem Mittelalter ausgezeichnet zu nützen: Mit einem fantasievollen Bühnenbild (Andreas Lungenschmid), einer raffinierten Lichtregie (Lukas Kaltenbäck) und einer zum jeweiligen Geschehen punktgenau passenden Musik (Christian Mair) wird das Publikum vom Anfang an gefesselt.

Die Geschichte um diesen Johann (1167-1216), der auch oft „Johann ohne Land“ tituliert wird, ist ziemlich verworren. Kurz zusammengefasst: König Johann lässt sich in Verhandlungen mit König Phlipp ( sehr überzeugend:Jens Ole Schmieder) ein, um Teile seiner Erbländer in Frankreich zurückzubekommen. Beide schließen Verträge, die sie nicht halten, gehen Bündnisse ein, die sie gleich wieder brechen. Es mischt natürlich auch die Kirche mit, belegt zuerst König Johann mit dem Kirchenbann, gleich darauf König Philipp. Am Ende stehen beide vor den Trümmern ihrer Machtgier, haben Tausende von Menschen geopfert und nichts an Vernunft gewonnen.

Ein hoch motiviertes Ensemble macht dieses schwierige Stück zum faszinierenden Erlebnis. Allen voran Horst Schily. Er gibt diesem König Johann einen vielschichtigen, keinesfalls einschienig bösen Charakter. Mal ist er fies, dann wieder kindisch, gleich darauf ein Wüterich. Wenn er so ganz langsam seine Augen schweifen lässt, dann kann man nicht erahnen, was in ihm vorgeht. Manchmal ist er ein armseliger Tropf, dann ein hinterhältiger Machtmensch, gleich darauf weinerlich. Nie brüllt er, eher ist seine Stimme verhalten, als wollte er seine geheimsten Gedanken nicht preisgeben. Dürrenmatt hat die Frauenrollen in dem Stück deutlich aufgewertet. Blanka (Petra Staduan) tobt sich als Jungemanze aus. Kaugummikauend und in Halbstiefeln stapft sie über den Steg, weigert sich als Schachfigur im Machtspiel der Männer missbraucht zu werden, lässt den von ihr gewünschten Ehemann, den sie aber aus politischen Gründen nicht bekommt, von Knechten auspeitschen,weil er (Niko Lukic )sich nicht für sie eingesetzt hat. Frauenemanzigpation mit einem Schuss Ironie! Herrlich überzeichnet auch die Rolle des Kardinals, der im Namen des Papstes den Bann ausspricht. Isabella Wolf im Conchita Wurst-Look legt in dieser Rolle eine Tanzparodie der Sonderklasse hin. Und Österreich? – ja, das Land hält sich aus den Intrigen draußen. Nina Gabriel als Herzog Leopold V. von Österreich steht im Hintergrund im Steirerhut mit Geweih und langem Mantel und mampft Äpfel. Er kann zuschauen, wie sich Johann und Philipp gegenseitig vernichten, hat er doch gerade vor kurzem Richard Löwenherz gegen ein hohes Lösegeld frei gegeben. Mit dem Geld baute er Wiener Neustadt als uneinnehmbare Festung auf. (Ein Teil davon sind die Kasematten). Julian Waldner sorgt für Gelächter, wenn er in Blitzeseile von einer Rolle in die andere schlüpft und das aufgeblasene Gehabe der Diplomatie ad absurdum führt.

Ein spannender Abend, den man nicht versäumen sollte. Ein Tipp: Vor der Vorstellung ist es ratsam, sich über die Geschichte dieses Johann schlau zu machen. Denn sonst wird es besonders am Anfang schwierig, dem schnellen Geschehen zu folgen. Noch dazu, wenn die Akustik dieses Raumes nicht die beste ist. Aber – so hört man – die kommenden Vorstellungen sollen in einem anderen Saal mit besserer Akustik gespielt werden.

Termine und Infos:

http://www.wortwiege.at