Gabriele Reiterer, Anna Mahler. Bildhauerin, Musikerin, Kosmopolitin. Verlag Molden

Über Alma Mahler sind wir bestens durch Autobiographie, Biographien und Romanbiographien informiert. Wenig, bis gar nichts wußte man bisher über die Tochter Anna. Nun hat Gabriele Reiterer diese Lücke gefüllt. Die bibliophile Biografie ist im flüssig, leicht lesbaren Stil geschrieben und ausführlich recherchiert.

Als Tochter von Gustav und Alma Werfel trug sie schwer an diesem Erbe. Den geliebten, wenn auch strengen Vater verlor sie mit 11 Jahren. Die Mutter war mehr mit sich und ihren Liebschaften beschäftigt und kümmerte sich wenig um das Kind. Schulbildung im klassischen Sinn gab es keine. Anna war nicht Tochter, sondern Begleiterin am Klavier. „…Musik ist eine Krankheit, die man nicht los wird“, sagte sie. Der Ausspruch steht als Motto am Beginn der Biografie. Musik ist also der eine Teil des Erbes. Der andere ist wohl der unstete Charakter, den ihr die Mutter mitgab. Ähnlich wie Alma wird sie die Männer um sich scharen, sie heiraten und sie verlassen. Fünf Ehemänner und einen (?)Geliebten – soweit man weiß. Das macht sie nicht unbedingt sympathisch. Besonders nicht die Art, wie sie sich ihrer Männer entledigte. Den letzten warf sie aus dem gemeinsamen Haus, weil er ihr von einem Moment zum anderen mit seinem greisenhaften Gehabe auf die Nerven ging.

Aber: Sie war schön, inntelligent und daher interessant für die Männerwelt. Die Frauen – ja eine oder andere Freundin. Alles und immer beherrschend: die Mutter. Anna suchte die Distanz, wurde aber immer wieder zurückbeordert – und sie kam, auch deswegen, weil sie die finanzielle Unterstützung brauchte.

Annas Lebenssinn war nicht die Musik – die hielt sie für etwas Selbstverständliches, so wie Essen, Sex – sondern zunächst die Malerei. Bis sie erkannte, dass sie mit dieser Kunstform nicht klar kam. Beeinflusst von Rodin und später von Fritz Wotruba, der auch ihr Lehrer wurde, begann sie Bildhauerei zu lernen. Der Stein faszinierte sie. Vielleicht war es auch eine Methode, ihre inneren Schwierigkeiten los zu werden. Sie konzentrierte sich auf die menschliche Figur, besonders auf Porträts. Davon leben konnte sie nicht. Erfolg hatte sie erst gegen Lebensende – die Eröffnung der Ausstellung in Salzburg erlebte sie nicht mehr.

Ihr Lebensweg war bestimmt durch ihre Herkunft, Emigration über London in die USA. Nach Wien wollte sie nie mehr zurückkehren. Gabriele Reiterer zeichnet eine Frau, die mit dem schweren Erbe ihrer Eltern, den Männern, die sie vergöttern, und dem ewigen Ortswechsel leben muss. Sie findet spät, aber doch, Zuflucht und innere Bestätigung in ihrer Kunst als Bidhauerin.

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