Kammerspiele der Josefstadt: Jasmina Reza, James Brown trug Lockenwickler

Regie: Sandra Cervik, Bühnenbild: Sabine Freude. Kostüme: Aleksandra Kica. Aus dem Französischem von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel.

Nun treten sie endlich gemeinsam auf. Maria Köstlinger und Juergen Maurer. Dank ihrer Bekanntheit und schauspielerischen Leistungen gelingt es ihnen, das nicht gerade beste Stück von Jasmina Reza zu retten. Denn die Autorin hat es der Regie und allen ihren Figuren nicht leicht gemacht. Wie zur Entschuldigung oder als Beglaubigung des ziemlich unglaublichen Inhaltes sagt Jasmina Reza: “ Ich möchte die Figuren nicht erklären, dazu bin ich gar nicht in der Lage….und weiter sinngemäß: Nach dem Schreiben entgleiten sie mir“ (Zitiert aus dem Programmheft.) Nun fiel allen Beteiligten, Regisseurin und Schauspielern, die schwierige Aufgabe zu, den absurd-komischen Inhalt, der zugleich sehr real abläuft, zu erhellen.

In einem weißen Raum, der Psychiatrie und angrenzender Park ist, lebt recht vergnüglich Jakob Hutner, der sich für Céline Dion hält. Sein einziger Freund ist ein Weißer, der sich für einen Schwarzen hält. Und die zuständige Psychiaterin würde selbst eine Therapie brauchen. In dieses schräge Ambiente platzen immer wieder die Eltern Jakobs, um sich von seinen Fortschritten in Richtung Heilung des Wahns zu überzeugen. Heilung wird es nicht geben, auch sonst bleibt das Ende ohne Perspektive.

Jasmina Reza ging es in ihren früheren Stücken („Gott des Gemetzels“ und „Kunst“) immer darum, die sogenannte Toleranz der gut Erzogenen, der so genannten Versteher aufzubröseln. Mit blitzgescheiter, komischen Logik lässt sie die Toleranzler scheitern. In „James Brown trug Lockenwickler“ geht sie von ihrem bewährten Rezept ab und wählt die Mittel des Absurden, der Übersteigerung und Überdrehung, um die modisch gewordene Frage nach Identität und Gruppenzugehörigkeit ins Absurde laufen zu lassen. Dabei überfrachtet sie das Stück mit Kapriolen, die die Zuschauer oftmals überfordern, etwa wenn die Psychiaterin das Märchen „Aschenputtel“ völlig verdreht erzählt. Absurdes spielerisch so aufzulösen, dass der Sinn dahinter dennoch aufblitzt, ist eine echte Herausforderung für alle Beteiligten.

Aber. wie so oft, retten die Schauspieler den Abend: Der junge Julian Valerio Rehrl ist ein echter Gewinn für das Ensemble. Er zeigte schon in der Performance „Mozart und Salieri“, die er mit Joseph Lorenz im Theater Akzent aufführte, was in ihm steckt: Ein vor Temperament und Lebendigkeit sprudelnder Jungspund. Als Jakob, der sich für die Sängerin Céline Dion hält, ist er ein Stiller, eine Stille. Seine Bewegungen sind die einer lässigen, leicht gelangweilten Diva, alles nur angedeutet, nie peinlich ausgespielt. Mit Kälte und Gleichgültigkeit verfolgt er die Aktionen seiner Eltern, die er als Bekannte, nicht als Eltern anspricht und sie beim Vornamen nennt. Er wünscht sehr energisch, von ihnen als Céline akzeptiert zu werden. Um ihnen zu beweisen, wie sehr er Céline ist, singt er ihnen zur Bestätigung einen Célinesong vor. Da gehört schon sehr viel Feingespür dazu, dass so eine Szene nicht peinlich wirkt. Rehrl spielt und singt, als wäre es klar, dass er Céline ist – großartig.

Köstlinger und Maurer sind die leidgeprüften Eltern Pascaline und Lionel Hunter. Sie sind Vertreter der „Toleranten“, der „Versteher“. Pascaline ist eine beflissene und devote Mutter, die ungefragt alles macht, was die Psychiaterin und ihr Sohn verlangen. Sie wirft sich sogar auf den Boden und strampelt mit den Beinen, um Freude zu simulieren – eine recht überflüssige Szene. Juergen Maurer ist der Gegenpol – er tut, als ob er versteht und toleriert, bis ihm dann doch der Kragen platzt – eine der vergnüglichsten Szenen des Abends. Dominic Oley spielt den verhuschten Freund, der sich an ein verkümmertes Bäumchen kettet,um es zu retten. Ein wenig mehr Wortdeutlichkeit wäre wünschenswert. Alexandra Krismer ist die verhuschte Psychiatertin und erfüllt diese absurde Rolle mit Bravour und sichtlichem Hochgenuss. Noch ein Wort zum Schluss, der in peinlichen, symbolüberladenem Kitsch endet: Céline verschwindet mit der Titelmusik aus dem Film „Titanic“ in einen sternenbestückten Nachthimmel. Da hat es sich Jasmina Reza zu leicht gemacht. Sie, die sonst einen für einen echten Show down- Schluss bekannt ist, lässt das Stück in einem bedeutungslosem Vakuum enden.

Freundlicher Applaus für die Leistung der Schauspieler

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