Michela Murgia, Chirú.Übersetzung aus dem Italienischen: Julia Brandestini. Wagenbach Verlag

Der Roman lässt mich etwas ratlos zurück: Ich weiß nicht, ob ich dieser ziemlich abgehobenen und selbstverliebten Hauptfigur auch nur ein Fünkchen Sympathie entgegen bringen kann, soll oder müsste. Eleanora ist achtunddreißig Jahre alt,  Sardin und eine erfolgreiche Theaterschauspielerin. Gerne nimmt sie junge Burschen so zwischen 16 und 18 als „Schüler“ an – und da beginnt mein Dilemma: Was lehrt sie diese Burschen? Sich richtig benehmen und kkleiden, im Kreis illustrer VIPs die richtigen Leute zur richtigen Zeit ansprechen? – Agentin ist sie keinesfalls, auch nicht wirklich „Lehrerin“. Der Verdacht kommt auf, dass sie diese Jungs  als Adoranten holt, um  sich in deren Bewunderung zu bestätigen. Einen „Schüler“ hat sie unwissentlich in den Selbstmord getrieben, weil sie nicht erkennen wollte und auch nicht erkennen konnte, dass er in sie schwer verliebt war.

Nach diesem „Unfall“ vergehen Jahre, bis sie – nun achtundreißig – den achtzehnjährigen Geiger Chirú kennenlernt und sich ihm als „maestra“ anbietet. Doch dieser Junge übt eine starke Anziehungskraft aus, mit der sie  zuerst nicht gerechnet hat, dann aber kokett spielt. Erotische Spiele sind erlaubt, Küsse, Streichelgaben, aber nicht mehr. Gerade so viel, dass sie sich ihrer Wirkung sicher sein kann. Denn sie hat sich inzwischen in einen berühmten Dirigenten verliebt, den sie am Ende auch heiratet. Eine Wiederbegegnung mit Chirú nach einigen Jahren gibt ihr immerhin einen Stich ins Herz, aber ganz ohne Schuldgefühl.

Tja, wo liegt nun genau mein Problem? – Dass die Autorin die Figur ganz sicher als eine kluge, gebildete Frau schildern möchte, die sich Gedanken über menschliche Beziehungen macht. Keinesfalls – so denke ich wenigstens – soll Eleonora als eine Frau erscheinen, die junge Burschen braucht, um sich in der deren Jugend zu sonnen. Das war ganz sicher nicht die Intention von Michela Murgia. Denn sie überträgt auf Eleonora wohl ihre eigenen Gedanken, philosophischen Überlegungen zur Welt und zu dem, was richtig und falsch ist. Nur leider – der Faden der Erzählung läuft gegenteilig. Ich staunte immer mehr über die Selbstgefälligkeit der Hauptfigur, ihre arrogante Art, mit diesen „Schülern“ umzugehen. Also ich hätte nie sie als „maestra“ akzeptiert. Wie sagen die Wiener zu einer Person wie Eleonora eine ist? – Zicke oder Tussi.