Selma Lagerlöf: Charlotte Löwensköld

Aus dem Schwedischen von Paul Berf

Manesse in der Penguin Random House Verlagsgruppe

Karl-Artur ist der über alles geliebte und verwöhnte Sohn der Obristin Beate Ekenstedt. Doch der Sohn tut nicht so, wie seine Mutter will. Er hat eine religiöse Erleuchtung und will Priester werden, worüber seine Mutter gar nicht erfreut ist. Die junge und selbstbewusste Charlotte Löwensköld lernt ihn kennen und lieben, als er als Priesteranwärter in ihr Dorf kommt. Sie trägt alle seine Schrullen mit, weil sie weiß, dass er zu Außerordentlichem befähigt ist und hofft, dass er es einst sogar zum Bischof bringen wird. Doch recht eigenwillige Intrigen und Verwicklungen – die fordern vom Leser viel Geduld – entzweien die beiden Liebenden. Er gibt ihr an dem Zwist die Schuld, den er eigentlich selbst herbeigeführt hat. Sein Glaube steigert sich zum religiösen Wahn. Und Charlotte nimmt den Heiratsantrag eines reichen Bergwerksbesitzers an.

Der Inhalt mag heute überholt wirken, all die religiösen Wahnideen des Karl-Artur bleiben unverständlich. Gut, so etwas soll es ja geben, liest man da und dort. Was es aber bis heute gibt – und das macht den Roman einigermaßen aktuell – ist die Art und Weise, wie Charlotte fast vom ganzen Dorf gemieden und beschuldigt wird. Mobbing der bösesten Art – weil sie als alleinstehende junge Frau ohne Schutz einer Familie oder Mannes der Hinterlist der Dorfleute ausgeliefert ist. Aber Charlotte ist keine, die klein beigibt: Sie kämpft um ihre Liebe mit allen Mitteln, lässt ihre Verzagtheit nicht öffentlich werden. Als Karl-Artur schließlich den letzten Funken Liebe in ihr tötet, heiratet sie den Mann, der schon lange um sie angehalten hat. Doch es wird keine „Vernunftehe“ werden, denn Charlotte ist viel zu sehr dem Leben zugewandt. Das Ende verspricht eine gute Zeit für die beiden Eheleute.

Selma Lagerlöfs Stärke ist die feine Charakterisierungen ihrer Protagonisten. Jede Figur wird subtil herausgearbeitet, ganz ohne moralischen Zeigefinger. Es ist ein Bild der Gesellschaft um 1900, die von hierarchischem Denken geprägt ist, soziale Benennungen und Unterschiede sind wichtig. Doch Charlottes Stärke ist es, genau diese Barrieren zu überwinden.

Ein kluges Buch, das berührt, trotz mancher aus der Mode gekommenen Attitüden.

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