Festspielhaus St. Pölten: Fouad Boussouf: „Fêu“

Choreographie: Fouad Boussouf. Musik: Francois Caffenne, Kostüme:Gwladys Duthil

Tanz: Serena Bottett, Filippa Correia Lescuyer, Lea Deschaintres, Rose Edjaga, Lola Lefevre, Fiona Pitz, Charlène Pons, Manon Prapotnich, Valentina Rigo, Justine Tourillon

Genau 55 Minuten laufen zehn Frauen in einem abgesteckten Kreis, den sie nie verlassen werden. Mal nach vorne, mal rückwärts, mal bricht eine aus und tanzt in der Mitte. Alle haben Haare bis zu den Schulterblättern oder länger. Diese müssen sie nämlich immer über die Schulter werfen und dabei den Kopf aus dem Hals heraus drehen.

Nachdem ich begriffen hatte, dass dieser Lauf zum Dauerlauf wird, beginnen meine Gedanken zu kreisen (passend zum Kreis-Lauf auf der Bühne). Was könnte der Choreograph damit bezwecken? Und vor meinem Inneren tauchen Bilder von Kreistänzen auf, wie ich sie selbst erlebt hatte: Vielleicht, so kombinierte ich, war Boussouf ebenso stark beeindruckt wie ich von den Trancetanz auf Bali, dem Kecak. Da sitzen Männer in kurzen schwarz-weißkarierten Röcken im Kreis und bewegen ihre Oberkörper vor und zurück nach einem ähnlichen Herzschlagrhythmus wie der auf der Bühne. Das tun sie so lange, bis einer nach dem anderen in Trance verfällt. Aus der sie dann von einem Priester zurückgeholt werden. Aber auf der Bühne gibt es keinen Hinweis auf ein religiöses Ritual. Dann erinnere ich mich an die Trancetänze der Frauen im Salento (Süditalien). Wenn sie während der Ernte von einer Tarantel gestochen werden, müssen sie nach einer Musik tanzen, die den Herzschlag ähnelt. Sie tanzen so lange, bis sie in Trance fallen, dabei werfen sie ähnlich wie die Frauen auf der Bühne, einem Veitstanz ählich, ihre Haare zurück und drehen den Kopf wild im Kreis, Dieses Ritual kann ein bis zwei Tage dauern. Danach fallen die Frauen in einen tiefen Schlaf und sind vom Spinnenstich geheilt. Musik und Tanz als reinigendes Ritual – ob Boussouff wohl solches im Sinne hatte? Oder ich erinnere mich an Frauen auf der Insel Lesbos, die sich bei Vollmond im Olivenhain treffen und zu Liedern der berühmten Dichterin Sappho im Kreis tanzen. Männer müssen fernbleiben! Oder aber, um den Titel „feu“ zu interpretieren – viellicht dachte er an die Hexenverbrennungen. Das Schlussbild sah von der Ferne aus wie ein Fanal, eine brennende Mahnung.

Oder aber, meinte jemand nach der Aufführung, es war einfach nur ein Lauf der Befreiung – ganz ohne Bedeutung. So wie Kinder im Kreis tanzen. Manchmal tanzt eine in die Mitte und alle klatschen. Der Applaus galt den Tänzerinnen, die eine ausgezeichnete Kondition bewiesen.

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