Theater Akzent: Joseph Lorenz liest Stefan Zweig: Brennendes Geheimnis

Joesph Lorenz ist der ideale Interpret für Stefan Zweig.. An diesem Abend entführte er das Publikum in ein Nobelhotel am Semmering, Wir sehen den Baron eintreten und enttäuscht in der Gästeliste blättern: Kein geeignetes Flirtobjekt. Dann betreten eine nicht mehr ganz junge Frau und ihr 12jähriger Sohn die Lobby und sofort nimmt er die Dame als geeignete Beute ins Visier. Da sie sich kühl und unnahbar zeigt, sucht er den Kontakt zum Sohn. Edgar ist ein sensibles Kind, das von der Mutter noch nicht viel Liebe erfahren hat. Der ferne Vater droht im Hintergrund der Novelle als moralische Instanz, die von Mutter und Sohn gleichermaßen gefürchtet wird. Es war spannend, wie Zweig tief in die Seele dieses Kindes hineinleuchtet. Und Joseph Lorenz das Publikum mitnimmt in das Geschehen aus der Sicht des Knaben. Edgar weiß noch nichts von den Lügen und Verstellungen der Erwachsenen, fällt auf die freundliche Maske des Barons herein, der ihn als Köder benützt. „Bald hatte er (der Baron) das heiße, zuckende Herz (des Kindes) in der Hand“. Und bald schon war die Frau Wachs in seinen Händen und die Beute reif zum Abschuss, doch Edgar stört. Er wird ausgetrickst und bei Seite geschoben.Hass auf den Baron und auf seine Mutter lässt ihn zum Spion werden. Er greift den Baron tätlich an, als dieser seine Beute schon fest im Griff hat. Es kommt zum Kampf. Gebannt folgt das Publikum Joseph Lorenz, der es versteht, die Spannung aufzubauen und zu halten. Man sieht den Knaben im dunklen Hotelgang lauern, erlebt, wie er sich auf den Baron stürzt, ihn beißt und schlägt. Ein Skandal! Edgar fllieht aus dem Hotel und reist zu seiner Großmutter nach Baden. Doch dort warten schon der zornige Vater und seine verängstigte Mutter. Wird er dem Vater verraten, was da in dem Hotel am Semmering geschehen ist? Die flehenden Augen der Mutter und ihr Zeigefinger, den sie auf ihre Lippen legt, lassen ihn verstummen. Dann der großartige Schluss: Im Halbschlaf spürt er die Hand seiner Mutter, die zärtlich über seine Wange streicht. Er hat zwar das Geheimnis der Erwachsenen noch nicht enträtseln können, aber sehr wohl verstanden, dass deren Welt aus Lüge und Heuchelei besteht. In dieser Nacht verabschiedete sich Edgar von seiner Kindheit.

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