Theater Scala: The Effect. Eine pharmazeutische Liebesgeschichte von Lucy Prebble

Inszenierung: Bruno Max, Bühne Marcus Ganser, Kostüme:Sigrid Deger

„In Zeiten wie diesen…ist es umso wichtiger, ein Stück zu wählen, das zwar unsere Wirklichkeit nicht negiert, sich aber mit etwas Größerem beschäftigt und etwas Sonne ins Grau bringt“, schreibt der Intendant Bruno Max im Programmheft. Wie wahr! Die Sonne im Grau haben wir alle nötig, und das Theater könnte dazu verhelfen. Wenn im Burg- und Volkstheater kalte Lehr- und Moralstücke zu sehen sind, die ihr Publikum langweilen oder schockieren, dann ist ein Theater wie die „Scala“ um so wichtiger. Bruno Max lässt in jeder Inszenierung die Schauspieler tief in die Figuren einsteigen und schafft so spannende Inszenierungen.

Was kann es Größeres als die Liebe geben? Die wollen uns die Hirnforscher als elektrische Bahnen und chemische Vorgänge madig machen. Aber Zärtlichkeit und Zuwendung sind mehr als chemische Vorgänge. Darüber wird in „The Effect“ verhandelt.

Auf der Wand im Hintergrund der Bühne leuchtet groß das Versprechen eines Pharmakonzerns „You deserve to feel better“ auf. „Du hast es verdient, dich besser zu fühlen“ – natürlich mit den Pillen dieses Konzerns. Eine einmonatige Studie soll die Wirkung eines neuen Antidepressivums beweisen. Conny (Veronika Petrovic) und Tristan (Marc Illich) haben sich als Probanten zu Verfügung gestellt. Unter der strengen Aufsicht von Dr. Lorma James (Christine Saginth) nehmen die beiden eine von Tag zu Tag höhere Dosis ein. Doch das Experiment scheitert, weil sich die beiden ineinander verlieben. Ist dieser Zustand nun auf das Mittel zurückzuführen? Dr. James, die selbst schwer depressiv ist, Zweifel an dem Medikament hat und sich gegen die rücksichtslose Ausbeutung dieser beiden Versuchspersonen wehrt, muss gegen ihren inneren Widerstand weiterarbeiten. Ein Zwischenfall lässt das Experiment scheitern. Und die Frage nach der Liebe wird auf einer ganz anderen Ebene beantwortet..

Die Autorin schrieb dieses Stück 2012, also lange vor Corona. Aber es wirkt, als hätte sie es in der Pandemie geschrieben. Denn viele ungeklärte Fragen werden darin aufgeworfen: Was heißt „Langzeitstudie“? Welche Verantwortung trägt der Konzern für Nebenwirkungen? – Im Stück keine. Wie weit kann/darf die Gehirnforschung gehen? Gibt es ethische Grenzen? Die Gefahr, dass einmal Gedachtes nicht zurückgenommen werden kann, (Dürrenmatt, Die Physiker) besteht immer. Sie vergrößert sich mit dem Fortschritt der Wissenschaft, die überzeugt ist, dass der Mensch alles, was ausgeforscht werden kann, ausforschen wird. Die Digitalisierung ist nur ein harmloser Anfang….

Ein spannender Stoff, den die Autorin leider nicht griffig genug verarbeitet. Die Dialoge wirken manchmal recht hözern – vielleicht liegt das auch an der Übersetzung. Deshalb outrieren die beiden Hauptdarsteller enorm: Connie kratzt sich andauernd, zappelt und bringt keine geraden Sätze heraus, Tristan ist hyperaktiv. Die „Liebesszene“ wirkt ein wenig „patschert“, die Überprüfung des Tristan-Penis durch die Ärztin ist eher peinlich. Straffung und eine etwas ruhigere Schauspielführung täten dem Stück gut. Ein positiver Ruhepol ist die Figur der Ärztin, ihr nimmt man ihre Zweifel und Verzweiflung ab.

Noch bis zum 26. Februar 2022 zu sehen

http://www.theaterzumfuerchten.at