Volksoper Wien: Puccini: TURANDOT

Dirigent: Alfred Eschwé. Regie und Choreographie: Renaud Doucet.Bühne und Kostüme: André Barbe. Licht: Guy Simard. Choreinstudierung: Thomas Böttcher.

44. Vorstellung

Besucher der Wiener Staatsoper sind ja nicht gerade verwöhnt, was das Bühnenbild angeht. Das ist entweder nicht vorhanden, also alles schwarz. Bestenfalls stehen ein paar graue Wände um die Sänger. Ausnahmen gibt es natürlich. Die Volksoper hingegen verwöhnt ihr Publikum mit kulinarischen Bühnenbildern und Kostümen! Und muss sich daher nicht um die „Auslastung“ Sorgen machen!

So auch in der „Turandot“. Dieses Märchen von der eiskalten Prinzessin, die unberührt bleiben will, ist ja purer Krieg! Turandot tötet mit Lust, lässt alle Anwärter, die ihre Rätselfragen falsch beantworten, hinrichten. Aber der von Liebe säuselnde Calaf ist ebenfalls ein ziemlich berechnender, kalter Typ. Schaut er doch gelassen zu, wie die arme Liu zu Tode gefoltert wird, weil sie Calafs Namen nicht preisgeben will.

Also: Liebe ist Kampf, Krieg. Erst recht in China – trittst du gegen die Macht (Turandot) auf, bist du schon verloren. Aber – keine Angst, in der Volksoper wird nicht krampfhaft auf aktuell umgedeutet. Das Duo Doucet und Barbe haben ein recht witziges Konzept entwickelt: Die Menschen, die unter Turandots Geißel sich ducken und kriechen, sind mehr Insekten als Menschen. Einige haben lange Fühler, andere eine echsenartige Zeichnungen am Körper.Die königliche Garde gleicht eher Glühwürmchen denn Kämpfern. Schmetterlinge kriechen(!) als Halbwesen über den Boden. Und über allem steht – nicht Turandot, sondern der weibliche Henker. Großartig: Eine Frau mit hinreißender Figur, das Gesicht dunkel, auf dem Kopf einen Helm mit ehernem Busch. Ihre mit riesigen Beißzangen verlängerten Arme erinnern an einen männlichen Hirschkäfer. Mit diesen Zangen wird sie alle Prinzen, aber auch Liu töten.

Die weibliche Henkerin (Foto: Voldksoper Wien)

Etwas gewöhnungsbedürftig wirkt das Outfit Calafs (Vincent Schirrmacher). Er erinnert mit seinen hochgebürsteten Haaren und der Schminke fatal an Pumuckl. Sein armer Vater Timur (sehr gut: Stefan Cerny) muss wie ein Wilder aus den Wäldern mit einem Fell herumlaufen. Aber man akzeptiert auch solche Merkwürdigkeiten, weil die ganze Aufführung mit so viel Lust am Spiel, an Licht (Guy Simard) und Einfällen abgeht. Anja-Nina Bahrmann ist eine ausgezeichnete Liù. Dass sie in ihren zarten Arien, in der sie von ihrer Liebe zu Calaf singt, doch an manchen Stellen forcieren muss, liegt an dem Dirigent Alfred Eschwé. Er lässt Pauken und Trompeten aus vollem Rohr schmettern, nimmt nicht immer genügend Rücksicht auf die Sänger. Zum Gesamtkonzept der phantasieüberbordenden Regie passt sein Dirigat dann irgendwie doch. Auch Calaf (Vincent Schirrmacher) und Melba Ramos als Turandot haben mit dem martialischen Dirigenten manchmal ihre Schwierigkeiten. Humorvoll und gekonnt gespielt und gesungen laufen die Szenen mit den drei Ministern Ping (Alexandre Beuchat), Pang (David Sitka), Pong (JunHo You) ab.

Ein voller Erfolg, bei vollem Haus (obwohl schon die 44. Vorstellung!). Das Publikum dankte mit Jubel, langem Applaus und Blumen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Inszenierung auch in der kommenden Saison am Programm stehen wird!!!

http://www.volksoper.at