Burgtheater: Philipp Hochmair mit seiner Band Die Elektrohand Gottes: Jedermann reloaded

Man mag ihn oder mag ihn nicht. Dazwischen gibt es nichts. Es ist eine Frage der Einstellung, wie sehr man die explosive Art dieses ungewöhnlichen Künstlers verstehen will und kann. Denn Philipp Hochmair schont sich und sein Publikum nicht. Er spielt nicht Theater, er existiert so ganz in der Rolle! Die Bühne ist sein Leben. Wer sich auf ihn einlässt, dem werden die Augen für den Text geöffnet. Der altbekannte, etwas „altbochene“ Text Hofmannsthals, in dem es um Gott, Teufel und Buße geht, bekommt neue Dimensionen. Entwickelt eine Kraft, die aus Hochmairs Gestaltung und der Wahnsinnsmusik erwächst. Was ist Schönsprech? – gar nichts, Hochmair löst die Sprache in einen Raprhythmus auf, wiederholt Worte, Satzteile zweimal, dreimal, schreit sie, flüstert sie, tanzt dazu, wälzt sich auf dem Boden, spielt mit dem Mikro, mit dem Totenkopf. ist der Nachbar, der Schuldenknecht, die er beide mitleidlos verhöhnt und ihnen Kleingeld zuwirft, ist die ganze Gesellschaft, ist die Mutter, ist die Buhlschaft. Ja , auch die. Aber völlig unspektakulär, sie ist ihm nicht mehr als Dekor, um das herum er einen Lustgarten errichten will. Der Lustgarten, der Palast – seine Träume lassen sich nur durch Geld verwirklichen. Geld, Geld, Geld – füllt sein Sinnen total aus, er küsst die Geldbeutel, hüllt sich in den Staub des Goldes ein – ein flirrender Umhang weht um ihn, wenn er tanzt. Dann bricht langsam sein Luft-Schloss vom Luxusleben zusammen. Er ist der Tod, der ihm auf die Schulter klopft, und der Mammon auch. Und der Teufel auch. Die Buhlschaft hat sich ohne großes Trara vertschüsst. Jedermann wird ein armes Würstel, das heult und fleht, das sich aber doch einsichtig zeigt – das verschwurbelte Ende, das Hofmannsthal einst so pathetisch bis zur Peinlichkeit in Szene gesetzt hat, löst sich auf in Glockenklang und Höllenmusik, aber wie! Gegen die Todesangst will er ansingen, fordert das Publikum auf mitzusingen, hält das Mikro einer verschreckten Lady in der ersten Reihe unter die Nase: „Sing“. Die Hölle kündigt sich mit dem ihr zustehenden Lärm an. Als alles am Kochen ist, ertönen aus den Reihen des Publikums Buhrufe, aufhören, das ist hier ein hochehrwürdiges Theater, mehr Respekt vor Hofmannthal bitte. Es ist Hochmair selbst, der vom Seiteneingang her den erahnbaren Unmut so mancher in den Raum brüllt. Spaß, Gelächter, das sogleich von dem höllischen Finale verschluckt wird. Eine Trompete erschallt, sie kündet den Untergang Jedermanns hier auf Erden an. Der aber hat seine Schäfchen im Trockenen, weiß sich gerettet. Marschiert mit dem Kreuz herum, er versinkt im Grab… Erschöpft? Keine Spur, eher das Publikum.

©Silvia Matras

In der Goldglitzerjacke des reichen Jedermann steht er am Stiegenaufgang, schreibt Autogramme, lässt sich mit allen, die es wollen, fotografieren, scherzt, freut sich über den Gugelhupf aus der Konditorei Demel. Das Nachspiel an der Treppe dauert noch eine gute halbe Stunde, bis der Jedermann – Hochmair ohne das geringste Zeichen von Müdigkeit das Ende des rasant-exzessiven, wilden, frechen, herrlich unkonventionellen Abends ausruft. „Auf Wiedersehen in Salzburg!“ ruft er den letzten Besuchern nach und verschwindet. Ob er vor dem Domplatz auch so „die Sau raus lassen“ (um im Sprech von Hochmair-Jedermann zu bleiben) wird? Keiner aus dem Publikum kann sich einen gezähmten Hochmair vorstellen….

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