naiv.? naive kunst aus der infeld-sammlung im museum gugging

Noch zu sehen bis 5. September 2021

In den kunstfernen Zeiten, wie wir sie gerade jetzt erleben, ist eine Ausstellung wie diese die beste Erfrischung, ein „Überlebensmittel“! Sie ist jedem sehr zu empfehlen, besonders aber allen, die eine Aufmunterung brauchen, allen, die sich nach einem Lächeln sehnen. Denn diese Bilder machen froh, heiter, nachdenklich. Man staunt über die künstlerische Kraft, die in Menschen steckt, die ohne Kontakt mit dem internationalen Markt und dessen Moden und Trends malen, weil sie wollen, ja müssen. Sie erzählen in ihren Bildern ihr Leben, ihre Träume, ihre Alltagswelt. Geklagt wird nicht. Angeklagt schon gar nicht. Das Leben in seinen Härten und Freuden wird abgebildet.

Die Leser meiner Webseite wissen, dass ich oft auch persönliche Aspekte in meine Berichte einfließen lasse. Beim Besuch dieser Ausstellung stiegen Erinnerungen an Künstler, die ich persönlich erleben durfte, auf. Künstler, die von sich selbst sagen, dass ihnen der Pinsel, der Buntstift einfach in die Hand gelegt wurde. Ohne über diese Gabe lange nachzudenken, malen sie. Ob andere sie der „naiven Kunst“, der „art brut“ oder dem „Surrealismus“ zuordneten war und ist ihnen herzlichst egal. Essaouira ist eine mystische Stadt, voller Spiritualität, die selbst der fremde Besucher spürt, wenn er sich länger dort aufhält. Ich hatte den Eindruck, dass hier jeder malt. Malen ist Leben. Keiner der Künstler hat eine Ausbildung. Einer der ganz wilden ist Said Quarzaz. Seine Fabeltiere und Dämonen entstehen in Trance, was ich sofort glaubte. Denn Formen, wie er sie erfindet, sind im Alltag nie zu finden. Auch Frauen malen. Fatima Ettalbi kümmert sich tagsüber um ihren Mann und die vier Kinder, des Nachts malt sie Bräute, Vögel und Blumen. Ihre Bilder sind von einer inneren Heiterkeit durchstrahlt. Mohammed Tabal ist der Maler der Gnawa, der Nachfahren der schwarzen Sklaven, die einst aus dem Süden nach Essaouira geholt wurden. Ihre Feste sind durchdrungen von orgiastischer Musik, die sich in Tabals Bildern widerspiegelt.Eine ganz persönliche Erinnerung verbindet mich mit der 2004 verstorbenen Malerin Carmelina Alberoni aus Capri Ein Jahr vor ihrem Tod besuchte ich die damals 81-Jährige. Rüstig und heiter saß sie in ihrem Zimmer, dessen Wände von oben bis unten mit ihren Bildern voll waren. Sie hatte zu malen begonnen, um ihrem kranken Sohn zu zeigen, wie es geht, erzählte sie. Aus der Not wurde Leidenschaft. Bald wurden ihre heiteren Bilder aus Capri in ganz Italien bekannt.

Carmelina Alberino: Die Piazzetta von Capri ( Bildrechte: Carmelina Alberino und Auktionshaus Finarte)

Die Sammlung Infeld

Doch nun zur Sammlung von Peter Infeld. Der Musikkenner und Kunstmäzen sammelte gemeinsam mit seiner Mutter Margaritha unter anderem Bilder kroatischer Maler und Malerinnen, wovon nun 120 Werkee von 31 Künstlern im museum gugging ausgestellt sind. Ich will auf keinen Fall in die Diskussion einsteigen, was „naive Kunst“ in der Theorie bedeutet. Denn mit Theorie hatten all die ausgestellten Künstler nichts auf dem Hut. Ihre farbenfrohen, dem Leben zugewandten Bilder sind meist spontan entstanden. Viele Künstler sind autodidakt, also von keiner vorgegebenen Sicht- und Malweise geprägt. Und das genau macht den Reiz und die Vielfalt dieser Ausstellung aus. Ich kam mit großen Erwartungen und wurde – nicht enttäuscht! Schon das Äußere des Museums stimmt fröhlich: kindlich gemalte Sonnen strahlen Heiterkeit von den Wänden.

Es fällt mir schwer, aus der Vielzahl und Vielfalt der Bilder einzelne besonders hervorzuheben. Aber auf eine Malerin will ich doch besonders hinweisen. Nicht weil heute Frauentag ist, sondern weil Mara Puskaric-Petras mit ihren zarten Bildern aus einer verträumten Frauenwelt mich besonders berührte: Sie malt sich in ihrem Zaubergarten als „Frau im Garten“ oder als kleine Frauenfigur, die still dasteht und Hahn und Henne beim Kokettieren zusieht. Leider darf ich die Fotos an dieser Stelle nicht veröffentlichen – sehr schade. Doch von dem heiter-boshaften „Schwarzen Hahn“ von Ivan Vecenaj-Tislarov sei hier die Rede und darf auch ein Foto gezeigt werden:

„Der schwarze Hahn“ von Ivan Vecenaj-Tislarov (Foto: Silvia Matras)

„Der schwarze Hahn“ – das stolze Vieh scheint das kleine Dorf total unter seiner Kontrolle zu haben. Er ist gerade dabei, aus der Malerkiste ( im rechten Bildrand) ein Bild nach dem anderen mit seinem Schnabel zu zerstören. Die Pracht und Selbstgefälligkeit im bunten Kleid! Mit beißendem Humor sieht auch Ivan Generalic seine Mitmenschen:

Ivan Generalic: Die alte Braut (Foto:Silvia Matras)

Man lacht und bedauert sie zugleich – die alte Braut im komischen Hochzeitsschleier, mit der großen Schürze, dem dicken Bauch und dem verzweifelten, angestrengt frohen Blick. Kein Bräutigam ist in Sicht, der ihr Kind einmal ernähren und beschützen wird. Die Landschaft um die arme Frau ist öd und leer. Nur eine Katze schleicht ihr neugierig hinterher. Größenverhältnisse und Perspektive werden grundsätzlich „flachgelegt“, etwa in den zarten, flächigen Traumbildern von Pal Hamonai. In seinen akribischen Architekturbildern malt Emerik Fejes nach Ansichtskarten die Destinationen, die er nie bereist hat, von denen er nur träumen kann. Ein „Kopfreisender“, der das Zimmer wegen einer schweren Krankheit nie verlassen konnte. Auch von diesen beiden Künstlern kann ich leider keine Fotos veröffentlichen. Also mein Rat: Am besten hingehen, anschauen! Freude wird garantiert!

http://www.museumgugging.at