Han Kang, Die Vegetarierin. Aus dem Koreanischen von Ki-Hyang Lee
- Silvia Matras
- 9. Sept.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Sept.

Romane aus der Welt der Psychiatrie sind en vogue - warum? Weil diese Welt vielleicht besonders interessant ist? Neugier wird geweckt, was sich hinter den Mauern abspiielt? Im kürzlich erschienen Roman "Scheue Wesen" von Clare Chambers (s. Bsprechung auf meiner Kulturseite) geht es um verschiedene Methoden der Behandlung, ebenso im Roman von Thomas Sautner, Pavillon 144, ebenso in dem Werk von Leon Engler, Botanik des Wahnsinns. Und nicht zu vergessen Thomas Bernhards wunderbares schmales Büchlein "Wittgensteins Neffe". In den drei letztgenannten ist der Schauplatz die Wiener Psychiatrie am Steinhof.
Nun liegt also das 2007 erschienene Werk "Die Vegetarierin" von Han Kang in deutscher Übersetzung vor und löst bei verschiedenen Kritikern wahre Lobeshymnen aus. Wer gute Nerven hat, genug Beharrungsvermögen, die geschilderten Grausamkeiten bis zum Ende zu ertragen, der wird dem Buch einiges abgewinnen. Der Stil ist flüssig und ohne poetische Spiralen. Aber die Bilder, die Han Kang heraufbeschwört, sind kaum zu ertragen. Es beginn- harmlos, geradezu Alltag pur. Der Mann hat sich eine kreuzbrave, unscheinbare Frau gesucht, die leicht zu handeln ist. Doch eines Tages begeht Yeong-hye auf: Sie wird über Nacht zur Veganerin (so müsste der Titel heißen). Der von dieser Entwicklung völlig überforderte Ehemann ruft den Familienrat zusammen. Der Vater versucht ihr gewaltsam Fleisch in den Mund zu stopfen - die erste schwer ertragbare Szene. Nach der Trennung der beiden Eheleute macht sich der bodybemalende Schwager an sie ran - nützt ihre tranceartige Hilflosigkeit bis zur Penetranz aus. Die Sexszene ist nur schwer zu ertragen, man ist versucht, das Buch wegzulegen. Hilfe scheint von der Schwester zu kommen - sie bringt Yeong-hye in die Psychiatrie. Die "Behandlungen" werden in aller Grausamkeit geschildert - sie nützen nichts, das Ende bleibt offen.
Man kann in dieses Buch viel hineininterpretieren - Gesellschaftskritik, Feminismusthema, Kritik an den Methoden der Psychiatrie etc...Eines ist sicher: Die Schilderungen der Gewaltszenen sind grenzwertig.


