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Matthew Lopez: Das Vermächtnis (Theater in der Josefstadt)

  • Silvia Matras
  • vor 6 Tagen
  • 2 Min. Lesezeit


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Henry (Lorenz), Eric (Martin Niedermair) ©Philine Hofmann


Regie: Elmar Goerden, Bühnenbild und Video: Silvia Merlo und Ulf Stengl


Wenn vom Theater in der Joseftadt die Rede ist, dann ist auf diesen Seiten fast immer zu lesen: Mit dem tollen Ensemble gelingt (fast) alles. Wie auch in diesem Fall: Das unübertreffliche Ensemble macht das mehr als 6 Stunden dauernde Stück erträglich.

Es ist ein reines Schwulenstück mit nur einer Frauenrolle, prominent besetzt von Andrea Jonasson. Aber selbst diese Ikone der Schaupielkunst kann diesen Text, den sie zu sprechen hat, auch nicht retten - es einer der Kitscherzählungen, mit denen der Autor vorrangig die zweite Hälfte des Stückes angereichert hat.

Im ersten Teil geht es vorrangig darum, an dem Schwulenpaar Eric Glass (Martin Niedermair elegant zurückhaltend) und Toby Darling (Raphael von Bargen- wie immer exzentrisch bis zum Äußersten) Liebe und ihre Querelen, die sich in keiner Weise von denen der heterosexuellen Paare unterscheiden, zu demonstrieren. Demonstrieren ist das richtige Wort - denn die Regie hat den peinlichen Einfall, die beiden den "Fick" und den Orgasmus an der Bühnenrampe demonstrieren zu lassen. Natürlich unter fick und fakk und Gestöhne. Wie überhaupt zu Beginn allen handelnden Personen das Sprachzentrum auf die Fäkalausdrücke reduziert ist.

In New York, wo der erste Teil spielt, war die Schwulenszene recht heiter bis drogenbedingt sehr angeheizt. Bis die ersten Wolken die Unbesorgtheit trübten und die community durch Aids dramatisch reduziert wurde.

Toby Darling hat, um seine traurige Kindheit zu beschönigen, ein Theaterstück geschrieben, in dem er sich als Jungspund der upperclass darstellt.


Die Hauptrolle darin spielt Adam (Nils Arztmann), der in Tobys Stück einen tollen Erfolg einfährt. Nils Arztmann, der zugleich auch die Rolle des Strichbuben Leo verkörpert, leistet in dieser Doppelrolle ein echtes Schauspielwunder. Mit einem Wimpernschlag mutiert er von dem arroganten Erfolgsjungen Adam zum bejammernswerten Stricher Leo, der in der Gossse landet.

Leo (Artzmann) und Toby (von Bargen); ©Philine Hofmann
Leo (Artzmann) und Toby (von Bargen); ©Philine Hofmann

Toby Darling hingegen verliert in einem bösen Streit Eric, und damit auch den Halt in seinem Leben. Er gleitet in Suff und Drogen ab und zieht auch noch Leo mithinein, den er aber nach kurzer Zeit wie einen unnötigen Fetzen fallen lässt.

Im dritten Teil beherrscht ein gewisser Henry Wilcox das Geschehen. Bisher agierte er nur aus dem Hintergrund: Verheiratet mit dem geheimnisvollen Walter Poole, der als geisterhafter Erzähler, Kommentator agiert (still und eindruccksvoll Ulrich Reinthaller) ist Henry der typische Wirtschaftsboss, der die Millarden scheffelt, aber im Grunde ein tragische Figur ist, weil er in seiner Geldwelt eingeschlossen, nicht lieben kann. Joseph Lorenz gibt diesen Weltmann mit der ihm innewohnenden Eleganz. Dass er nach dem Tod Walters in seiner seelischen Einsamkeit Halt und Rückzug bei dem soliden Eric Glass sucht, ist verstehbar. Doch die Heirat der beiden hält nicht, zu verschieden sind sie.

Was dann noch bis zum langweiligen und tränenreichen Ende folgt, ist Kitsch in Reinkultur. Eric zieht in das Haus des kürzlich verstorbenen Walter. Dort werden alle Aidskrannken behandelt, und auch Leo wird gesund gepflegt. Toby möchte wieder bei Eric landen, doch der weist ihn ab. Toby begeht Selbstmord. Henry findet endlich den Mut, über seine sexuelle Unfähigkeit zu sprechen. Alles wird gut, alle umarmen sich. Im Publikum fließen Tränen. Danach viel Beifall für die Schauspieler.

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