Ein Kulturwochenende am Semmering
- Silvia Matras
- 22. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Aug.

Mit Ulrike Beimpold, Marianne Sägebrecht, Simeon Goshev, Karl Markovics , Wolfram Berger und Peter Rosmanith
Ulrike Beimpold: Friedrich Torberg, Auf Sommerfrische mit Tante Jolesch
Sie betritt das Podium und ist DA! Hat das Publikum mit einem Wimpernschlag eingenommen. Torberg fließt ihr direkt aus dem Herzen auf die Lippen. Ihre Beziehung zu dem Schriftsteller ist rein literarisch und doch auch biografisch: Über das Sonntagsessen bei Großmutter zum Beispiel. Da hieß es immer – köstlich, wie bei Tante Jolesch. Sie kam gerade als „Frischgfangte“ 1979 an die Burg, als Torberg starb.
So beginnt sie in einer charmanten Mischung aus „Böhmakeln“, „Schönbrunnerdeutsch“ und Jiddisch zu erzählen – wie das damals, zu Tante Jolesch‘ Zeiten so war mit der Sommerfrische: Man siedelte mit der ganzen „Wirtschaft“, Teller, Kleider, Zofe -so man hatte, schlicht die ganze Dienerschaft. Tante Jolesch liebte diese Umsiedlung nicht -„ja, no ja, ein bissl frische Luft darf sein“, wenns auch Cafés, Restaurants und ein bissl Theater gab. Die Zauberberge, wie die Gegend um den Semmering und die Rax genannt wird, kann das heute wieder alles liefern: Theater in Reichenau, Cafés und Konditoreien – alles da. Und am Semmering eben Literatur. Was war das Geheimnis der Tante? Warum scharten sich alle so brav um sie, wenn sie einlud?:Es waren die Krautfleckerln und ihr trockener Humor! Das Geheimnis des Rezeptes gab sie nie preis. Kurz vor ihrem Tod soll sie es gelüftet haben: „Weil ich nie genug gemacht habe“. Mit Anekdoten über Tante Jolesch und andere Lebenskünstler weiß Ulrike Beimpold das Publikum höchlichst zu amüsieren. Und so manch Schlüpfrig-Erotisches wagt sie mutig, mit einem entschuldigenden Lächeln. Dazwischen singt sie – ganz ohne musikalische Begleitung – Lieder von Hermann Leopoldi. Auch mit Blau. Grün und Herr und Frau Kohn amüsiert sie das Publikum. Beimpold darf alles, sie kann alles – Andekdoten, Witze, Trauriges – ja auch Trauriges! Und sie geniert sich nicht ihrer Tränen, die dann auch beim Publikum leise tröpfeln.
Dreimal standing ovations! Man lässt sie ungern ziehen. Und man glaubt ihr, dass sie die zwei Stunden genossen hat. Das Publikum sichtlich und hörbar auch!
Marianne Sägebrecht: Gipfeltreffen – eine Literatour von Säge bis Brecht. Am Klavier: Simeon Goshev
Die Neugier auf die deutsche Schauspielerin und Kaberettistin Marianne Sägebrecht war groß. Wie und was wird sie bringen? Wird sie eher als „Mutter der Subkultur“ oder als Erzkomödiantin auftreten? – Nichts von beiden. Sie war einfach eine Frau, 80 Jahre jung, die aus ihrer Erfahrung heraus Lebensratschläge verteilte, Erinnerungen auffrischte und dazwischen Gedichte von Bert Brecht („Lasst euch nicht verführen!“) und Mascha Kalékos „Der Liebestod“ einstreute. Eine Mischung ohne Richtung, man wusste nicht so recht, wohin die Reise gehen wird. Manches war sehr wehmütig, nachdenklich, wie der Text von Hilde Domin „Abel, steh auf!“ dann wieder eigenwillig humorvoll wie die Hommage an alle Frauen über 60 von Patrizia Morescu. Dieses inhomogene Programm wurde jedoch musikalisch von dem Pianisten Simon Goshev geschickt in professionelle Bahnen gelenkt – er spielte passend zu den divergierenden Texten Musik von Grieg, Gershwin, Ravel, Schumann und bettete so das wunderliche Programm in einen stabilen Rahmen.
Karl Markovics: Fritz von Herzmanovsky – Orlando, Der Gaulschreck im Rosennetz
Wer sich an diesen Text wagt, dem gilt die ungeteilte Bewunderung des Publikums. Denn in dem grotesken Roman über den durch Dummheit und Ignoranz vorprogrammierten Untergang der österreich-ungarischen Monarchie wimmelt es nur so von barock aufgeblähten Namen und bis ins Unglaublich gesteigerten Dummköpfen, die stellvertretend für das gesamte Monarchieszenario stehen.
Also Markovics hat es gewagt, hat sich fast drei Stunden durch das Panoptikum des Gaulschrecks geplagt – ja geplagt, denn allein schon die Schnörkelnamen wie Jaromir Edler von Eynhuf, Hofsekretär beim Kaiserlichen Hoftrommeldepot oder Zephesis Zumpi, kaiserlicher Hofzwerg im Ruhestand, haben es in sich. Die Sprache von Herzmanovsky-Orlando wimmelt nur so von verschnörkelten Obskuritäten, die zu lesen und zwar verständlich zu lesen eine Herausforderung per se ist. Der sich Markovics mit dem Mut eines Turmspringers vom Zehnmeterbrett in die Untiefen der verknöcherten, verdummten Figuren dieses Romans wagend stellt. Er findet für die Figuren den richtigen Ton -näselnd, verkorkst, verdreht, wunderlich, irreal. Vielleicht ist er manchmal einen Tick zu verdreht – er treibt die Sprache bis zu dem Punkt, wo das barocke Volumen der Skurrilität zu viel, zu oft sich wiederholend, ermüdend wirkt. Aber soll so sein, weil Herzmanovsky es so wollte: Er schuf einen Hofstaat, der in seiner Eitelkeit, Einfalt, Selbstverliebtheit sich selbst ad absurdum führte. Ein Staat, der von solchen Typen bevölkert ist, muss zugrunde gehen. Und Markovics sorgte für einen authentisch – skurrilen Untergang. Danach war er sichtlich erschöpft, und das Publikum auch.
Wolfram Berger: Homer – Odyssee. Peter Rosmanith Percussion
Ein Programm für Liebhaber der griechischen Antike! Für Liebhaber großer Heldenerzählungen. Klug gekürzt und in der schlichten Übersetzung von Johann Heinrich Voß erzählte Wolfram Berger ohne Heldenpathos von den Abenteuern des Odysseus. der nach 10 Jahren Krieg mit Troja endlich die Heimfahrt antritt. Aber er muss noch weitere 10 Jahre viele Gefahren und Abenteuer überstehen, bis er zur Gattin Penelope und dem Sohn Telemachos heimkehren kann. Berger beginnt mit einer Rückschau: Odysseus erzählt dem König der Phäaken seine leidvollen. aber auch lustvollen Abenteuer, beginnend mit dem Kampf gegen den einäugigen Riesen Polyphem. Bergers Auswahl zeigt Odysseus als einen unbestechlichen, erotischen Abenteuern mit Kirke oder Kalypso nicht Abgeneigten, aber nach genossener Lust doch ohne Wehmut Weiterziehenden. Grad so, wie es für einen (griechischen) Helden und (ungetreuen) Ehemann sich schickt. Das Männerbild darf nicht angepatzt werden. Ja, zur Zeit Homers und noch viele Jahrhunderte danach durfte, musste der Mann eben noch ein richtiges Mannbild sein! Da mag so manch eine Zuhörerin geschmunzelt haben! Wenn er gleichsam in einem Handstreich alle Freier besiegt und dann endlich das Bett mit Penelope teilt, schleicht sich da nicht die uralte Sehnsucht nach so einem „Kerl“ in so manches Frauenherz?
Peter Rosmanith macht da nicht mit – er unterläuft dieses Heldenbild. Oft deutlich ironisch die Heldenromantik untermalend, begleitet er mit seinen diversen Percussioninstrumenten die Erzählung. Ein congeniales Paar: Berger – ein sehr sich zurücknehmender Heldenverkünder, Rosmanith ein schlauer, mit Musik das Heldenbild unterlaufender Skeptiker!


